Fünf Wochen ist es schon her, dass wir uns mit Nationalparkführer Gerhard Hänsel von der Hujetsmühle aus auf den Weg zum "Tiroler Stein" machten.
www.timorisch.blogspot.de/2016/01/mordertour-zum-tiroler-stein.html
Heute stehe ich am Parkplatz beim Forellenhof Trauntal nahe Börfink – zusammen mit sechs Freunden und anderen Interessierten, die bei der ersten Tour nicht dabei sein konnten.
Wegen großer Nachfrage hat sich Gerhard entschlossen, die Wanderung zu wiederholen. Er ist dabei nicht nur meiner Idee gefolgt, diese um einen zweiten Punkt zu erweitern, er hat sich auch eine andere Streckenführung ausgedacht.
Die heutige Tour führt also zu zwei historisch bedeutenden Orten, die im Jahr 2016 Jahrestag feiern.
Letztlich haben sich 30 Personen angemeldet, obwohl die Obergrenz ursprünglich bei 18 lag.
Das ist auch der Grund, warum zwei weitere Nationalparkführer, Sascha Becker und Jörg Dietrich, dabei sind, um die Gruppe beisammen zu halten.
Vom Forellenhof, wo sich Traunbach und Hengstbach treffen, geht es um 10:30 Uhr zunächst entlang des Hengstbachs auf dem Saar-Hunsrück-Steig.
Wir folgen diesem zwischen Muhl und der Gunnesbrucher Schneise.
An der Schutzhütte folgen wir der asphaltierten Straße 300 Meter abwärts und biegen links ab. Nach 400 Metern sind wir an einem besonderen Punkt im Nationalpark in der Nähe von Neuhütten bzw. dem Ortsteil Zinsershütten angelangt und stehen vor einer Gedenktafel, welche an den hier beim Absturz eines Starfighters ums Leben gekommenen Horst Stüber erinnert.
Am 10. März 2016 ist der 50. Todestag des damals 28-jährigen Piloten.
Satellitenaufnahme der Absturzstelle (zum Vergrößern anklicken) |
Feldwebel Horst Stüber gehörte zum Jagdbombergeschwader 33 (JaboG 33).
Am 10. März 1966 startete er auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel, oberhalb der Mosel, mit seiner deutschen Militärmaschine vom Typ Lockheed F-104G ("Starfighter") zu einem Übungsflug nach Frankreich.
Der Nachbrenner des GE J79-Strahltriebwerks schob den Jet mit etwa 29.000 PS in den Himmel und Stüber jagte im Tiefflug über den Hunsrück. Er wird nicht wieder zurückkehren, denn kurz vor 14 Uhr stürzte das Kampfflugzeug mit dem Taktischen Kennzeichen DC+117 (Konstruktionsnummer 2074) am Nordhang der Dollberge, unterhalb des Tirolerkopfes, in ein Waldstück und zerschellte am Boden.
Der Pilot, 28 Jahre alt, kam dabei ums Leben.
Die Suchaktionen blieben zunächst erfolglos.
Am darauf folgenden Tag wurde die Absturzstelle durch einen Entstörtrupp des RWE entdeckt, der dabei war, die Leitung zwischen Neuhütten und dem Forsthaus Neuhof zu kontrollieren, weil die Försterfamilie eine Unterbrechung ihrer Stromversorgung gemeldet hatte. Die F-104G hatte eine breite Schneise in den Wald geschlagen und war schließlich explodiert. Die Trümmer der Maschine lagen im Umkreis von mehreren Hundert Metern verstreut. Zum Glück wurde der Brand vom Regen gelöscht. Die Bundeswehr riegelte die Absturzstelle ab und die deutsche Starfighter-Flotte notierte nur fünf Jahre nach Indienststellung der Flugzeuge ihren 50. Totalverlust.
Die Untersuchung des Unfalls dauerte bis Anfang Juli.
Als Absturzursache wurde eine mögliche Fehlfunktion bzw. ein Wartungsfehler der Aufbäum-Kontrolle genannt.
Genauer gesagt riss der "Kicker", Sicherungsgerät gegen ein Überziehen und somit zu starkes Aufbäumen des Flugzeugs, den Steuerknüppel aus der Hand des Piloten, schlug nach vorne und rammte so den Starfighter in die Erde.
Die Unglücksmaschine DC+117 vom JaboG 33 |
Um die geplante Flugleistung zu erreichen, entwickelten die Lockheed-Ingenieure für die Tragflächen des Starfighter ein radikal neues Konzept: Sie waren so dünn wie möglich ausgelegt und relativ kurz, um den Luftwiderstand im Überschallbereich zu vermindern.
Die kurzen Stummelflächen bieten also nur wenig Luftwiderstand und zugleich hohe Auftriebsleistungen. Ihre Stabilitätsschwächen werden durch das hohe T-förmige Leitwerk ausgeglichen. Sobald aber der Pilot das Flugzeug zu steil hochzieht, reißt der Luftstrom an den Tragflächen ab und schlägt von oben auf das Dach des T-Leitwerks.
Konsequenz: Die Maschine bäumt sich auf ("Pitch-up"), verliert an Steuerfähigkeit und trudelt dann abwärts.
Eine "Automatic Pitch-Control", kurz APC, sollte das verhindern. Messflügel an der Rumpfspitze tasten den Anstellwinkel des Flugzeugs ab. Erreicht der Anstellwinkel eine bestimmte Größe, springt ein elektrischer Schüttelmotor am Steuerknüppel an. Nimmt der Pilot diese Warnung nicht wahr, zieht der "Kicker" den Steuerknüppel mit einem 22-Kilogramm-Schlag nach vorn und drückt die Maschine in eine bodenwärts gerichtete Fluglage.
In einem Zeitungsbericht vom 12. März heißt es:
"Für den Absturz gibt es keine Augenzeugen. Einwohner von Neuhütten erklärten, dass sie am Donnerstagnachmittag wohl einen Knall vernommen hätten, dass sie jedoch der Annahme gewesen seien, es handele sich um einen "normalen Knall", wie er von die Schallmauer durchstoßenen Düsenmaschinen verursacht wird. Über dem Gebiet von Neuhütten sind ständig Flugzeuge in der Luft!"
Das Forstamt Hermeskeil errichtete auf Wunsch der Witwe eine Gedenktafel aus hellem Naturquarzitstein.
Am 10.3.1967 fand eine Gedenkfeier am Stein mit Pfarrer Naumann statt.
Der tragische Unfall fand damals sogar in einem Artikel der Ausgabe 34/1966 des Magazins DER SPIEGEL Erwähnung.
Interessant zu lesen, was nach diesem Ereignis passierte. Auszüge des Artikels hier:
"Am 8. Juli befahl der Luftwaffen-Führungsstab, den Kicker aus allen Maschinen auszubauen und zu überprüfen. Zehn Tage später trainierte Oberleutnant Siegfried Arndt vom Jagdgeschwader 71 ("Richthofen") aus Wittmund in Ostfriesland mit seinem Abfangjäger F-104G über der Nordsee. Nördlich von Helgoland verlor er Kontrolle und Herrschaft über die Maschine und stieg per Schleudersitz aus.
Der Starfighter stürzte ins Meer: Totalverlust Nummer 61. Der Pilot konnte das Schlauchboot nicht erreichen, die Fallschirmgurte nicht lösen, die Schwimmweste nicht aufblasen und ertrank.
Die Unfalluntersuchung ist bislang noch nicht abgeschlossen, die Unfallursache trotzdem schon so gut wie gesichert: Oberleutnant Arndt hatte die Maschine beim steilen Steigflug überzogen. Und der Kicker, der dieses Fehlmanöver hätte korrigieren können, fehlte befehlsgemäß.
Zwei Tage nach dem Tode Arndts wurde der Kicker in alle Starfighter wieder eingebaut. Die Tragflächen- und Leitwerkkonstruktion des Starfighters, Hauptfaktor seiner fliegerischen Eigenschaften, erfordert die Kontrolle durch eben jenes Gerät, das den Flugzustand der Maschine steuert.
……
So kam Feldwebel Horst Stüber im Hunsrück ums Leben, nicht weil er seinen Starfighter überzogen, sondern weil er im Tiefflug (bei dem der Kicker durchaus entbehrlich ist) den Steuerknüppel hastig nach hinten gerissen und damit infolge eines Wartungsfehlers den Kicker-Schlag nach vorn auslöste.
Die Gruppe lauscht andächtig dem Experten |
…..
Unser Freund Frank kann vor Ort als Luftfahrtexperte einige Informationen zum Starfighter liefern und verteilt sogar Fotos der abgestürzten Maschine an Interessierte.
Wir sind auf dem Weg hierher durch Laubwald marschiert. Etwas weiter entfernt sehe ich Nadelbäume. Schaut man sich die Stelle auf einem Satellitenfoto an, was mit google earth kein Problem ist, sieht man etwas weiter oberhalb des Gedenksteins in südwestlicher Richtung ein mit Nadelbäumen bewachsenes Gebiet von etwa 120 x 50 Metern. Dort vermute ich die Absturzstelle. Die entstandene Freifläche nahmen wohl Fichten schnell wieder in Besitz, denn die Lichtbaumart Fichte braucht in der Jugend viel Licht zum Wachsen. Auf einer freien Fläche ist der Lichteinfall besonders groß, so kann die Fichte ihre volle Konkurrenzkraft gegenüber anderen Baumarten ausspielen und verdrängt diese… ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber es ist zumindest eine logische Erklärung, die auch Gerhard Hänsel teilt.
Denkmal ''Tiroler Stein'' |
Hier hören wir die überlieferte Geschichte und wärmen uns von innen mit flüssiger, klarer Williams-Christ-Birne.
Dort, auf der Grenze der beiden Landkreise Birkenfeld und Trier-Saarburg, wo die Gemarkungen der Dörfer Brücken, Neuhütten und Achtelsbach aufeinanderstoßen, markiert das Denkmal "Tiroler Stein" - ein auf einem Steinsockel ruhendes Holzkreuz - die Stelle, an der sich vor 275 Jahren ein schlimmes Verbrechen ereignete.
Mitten im tiefsten Winter, am 19. Januar 1741, wurde genau an diesem Ort der Tiroler Wanderhändler Thomas, von dem nur der Vorname bekannt ist, heimtückisch überfallen und erschlagen.
Zur Erinnerung an den Wanderkaufmann aus Österreich wurde dieses Sühnekreuz errichtet.
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Kalter Wind bläst uns um die Ohren, deshalb machen wir uns schon bald wieder auf den Weg. Der Friedrichskopf, mit 707 Metern ü. NN höchster Berg der Dollbergkette, bildet dann im wahrsten Sinne des Wortes den "Höhepunkt". Jetzt geht es nur noch bergab über die Gunnesbrucher Schneise zum Ausgangspunkt.
Im Forellenhof kehrt ein großer Teil der Gruppe ein, um sich aufzuwärmen. Wir zahlen unseren Obolus an Gerhard, genießen eine Forelle "Müllerin" und fahren zurück nach Hause.
Es war mal wieder eine tolle Wanderung im winterlichen Nationalpark. Auf der rund 11 Kilometer langen Strecke wurde es keine Minute langweilig und die Tatsache, dass bereits die zweite Auflage der Wanderung ausgebucht war, zeigt, dass unsere Nationalpark- und Landschaftsführer auf dem richtigen Weg sind.
Danke an alle Beteiligten!
Koordinaten der Gedenktafel:
Dezimalgrad (WGS84): N 49.653839, E 7.043664
Koordinaten des Grenzsteins "Tirolerstein":
Dezimalgrad (WGS84): N 49.654617 E 7.050683
Weitere Informationen, Fotos und GPS-Dateien unter
www.gpsies.com/map.do?fileId=gcrdmvkuadzlgeft
Hier findet ihr Gerhards Tournachlese auf seiner Homepage www.hochwaldzeiten.de
www.hochwaldzeiten.de/touren-1/tournachlese
Mehr Informationen über den Starfighter findet ihr in folgendem Post:
www.timorisch.blogspot.de/2016/03/heie-zeit-im-kalten-krieg-der.html