Donnerstag, 12. August 2021

30 Jahre "Nothing Else Matters"

Nothing Else Matters

Langweiliges Telefonat führt zum Hit

Harte Jungs mit weichem Kern: Metallica landeten 1991 mit der Monsterballade „Nothing Else Matters“ nicht nur ihren größten Single-Erfolg, sie lieferten auch einen der seitdem beliebtesten Hochzeitssongs.
Während der Aufnahmen des dazugehörigen „Black Albums“ gingen allerdings in der Band drei Ehen in die Brüche...

Es ist die Metal-Ballade schlechthin. Ein Klassiker der Rockgeschichte.
Nie zuvor haben so harte Jungs ein solch weiches Herz gezeigt.

So eine Nummer hat man der Band bis dahin nicht zugetraut.
Wie viele berührende Songs entsteht auch “Nothing Else Matters” aus einer betrübten Stimmung heraus.

James Hetfield, Sänger und Rhythmusgitarrist von Metallica, hat den Song allein im Hotelzimmer geschrieben, während er mit der Band 1989 auf Tour ist.

Hetfield hat einen melancholischen Abend. Nicht nur seine Freundin fehlt ihm, er denkt auch an seinen kürzlich verstorbenen Großvater.
“Nothing Else Matters”, “Nichts anderes zählt” sollen angeblich dessen letzte Worte gewesen sein.
Das Telefon klingelt, er nimmt ab - die Gitarre hat er noch umhängen. Ein langweiliges Telefonat. Die eine Hand am Hörer, fängt Hetfield an, mit der freien Hand auf der Gitarre herum zu zupfen.

Ohne die linke Greifhand auf den Saiten ergibt sich die Tonart e-Moll bzw. der e-Moll-Akkord.

Nicht umsonst ist e-Moll aus rein praktischen Gründen die am häufigsten vertretene Tonart. Die Grundstimmung der Gitarre liegt auf E, und es bedarf nur minimaler Fingertechnik, um einen rund klingenden Grundakkord e-Moll zu spielen.
Häufig wird dieser Tonart ein klagend-trauriger, mystischer Charakter nachgesagt.
Ob Hetfield möglicherweise an "Nights in White Satin" von den Moody Blues gedacht hat? Der Song hat eine ähnliche Struktur. Auch er kreist um den e-Moll Akkord, hat das gleiche Tempo und den gleichen Rhythmus.

Recht einfach gestrickt also, aber ihr hört selbst, was daraus geworden ist.

“So close, no matter how far”, “So nah, egal wie weit entfernt” ist Ausdruck seiner Sehnsucht.
Diese gefühlsbetonte Seite ist eine völlig neue Facette des damals 26-jährigen.

Lars Ulrich, Interview von 2002:
„Ich hatte immer das Gefühl, das James ein liebevollerer, mitfühlenderer Mensch war, als er sich zu zeigen traute.“

James Hetfield im Interview 2008:
„Indem man seine Schwächen zugibt, wird man stärker. Klingt komisch für einen Mann, erst Recht für einen Heavy-Metal-Man, aber es stimmt.“

Hetfield steht zu seinen Gefühlen und beschließt, “Nothing Else Matters” mit Metallica zu veröffentlichen. Das schwarze Album, auf dem die Ballade enthalten ist, steigt 1991 in 10 Ländern auf Nummer 1 in den Charts ein und hat sich bis heute über 35 Millionen Mal verkauft. Damit gehören Metallica heute zu den kommerziell erfolgreichsten Metal-Bands auf diesem Planeten.

“Nothing Else Matters” erscheint im April 1992 als Singleauskopplung und es wird Metallicas größter Single-Erfolg.

Seitdem ist er einer der beliebtesten Hochzeitssongs, also wahrlich ein Liebeslied, das die Welt bewegt.

Bis zu diesem Erfolg sind Metallica eine typische Metal-Formation. Gegründet 1981 in Los Angeles von Schlagzeuger Lars Ulrich und Sänger James Hetfield gehören sie in den 80er Jahren dem Metal Underground an. Ihre beiden Alben “Master Of Puppets” und “…And Justice For All” gehören zu den besten ihres Genres.
Frühe Songs, wie Master Of Puppets, sind bis heute fester Bestandteil von Metallicas Live-Shows.

Bis Ende der 90er Jahre lebt die Band den altbewährten Rock ‘n’ Roll Lifestyle.
Alkohol, Partys, wechselnde Frauen daheim. Groupies auf Tour, Drogenexzesse, das volle Programm.

2001 entscheidet sich James Hetfield, seine Alkohol- und Drogensucht zu bekämpfen.
Er checkt in einer Entziehungsklinik ein, parallel zu den Aufnahmen des Albums “St. Anger”.

Dieser Prozess führt zu vielen Konflikten in der Band, ungeschminkt festgehalten in dem sehr persönlichen Dokumentar-Kinofilm “Some Kind Of Monster”.

Fast drei Jahre begleiten die Filmemacher die Band auf Schritt und Tritt. Dabei werden Konflikte gnadenlos offen dokumentiert.
Die größten Spannungen gibt es zwischen den beiden Bandköpfen Lars Ulrich und James Hetfield. Die Band zögert, ob der Film überhaupt erscheinen soll.
Im Nachhinein bereut James Hetfield seine Entscheidung nicht.

James Hetfield, Interview von 2008:
„Natürlich wollte ich es nicht veröffentlicht haben. Es war mein absolut hässlichstes Ich.
Ich wollte es nicht sehen und ich wollte ganz sicher nicht, dass andere es sehen.
Ich habe es ein paar Mal angeschaut und das reicht. Das weiß ich, so will ich nicht sein.
Aber ich bin froh, dass es passiert ist. Es ist ein gutes Spiegelbild.
Ich denke, jeder sollte so einen Film über sich machen.“

Heute ist James Hetfield clean und Metallica weiterhin das Aushängeschild des Heavy Metals – nicht zuletzt dank dieser gefühlvollen Liebesballade mit Sogwirkung, die nicht nur Metalfans begeistert… “und nichts anderes zählt”… “nothing else matters.” 

http://timorisch.blogspot.com/2015/11/musik-die-bewegt-teil-6.html

 

Donnerstag, 1. Juli 2021

Da hättest du genau so gut leuchten können

Kennt ihr das nicht auch?
Es gibt Dinge, die sind einfach zu schade für den Alltag, für das normale Leben.
Zu schade, um sich einfach so daran zu erfreuen.
Ob das teure Porzellan, die gute Lederjacke, die hochwertige Uhr oder der wertvolle Schmuck.

Wenn man nicht aufpasst, kann man so sein eigenes Leben beeinflussen. Alles aufsparen für die besondere Gelegenheit, nichts verbrauchen, sich wenig gönnen.
Das ganze Leben gewissermaßen im Schongang leben oder in der Haltung des Abwartens.
Irgendwann gönnt man sich dann mal was... oder nie?

Der Dichter Erich Fried hat ein Bild dafür: "Auch ungelebtes Leben geht zu Ende... wie eine Batterie in einer Taschenlampe, die keiner benutzt."
Und dann stellt man fest, so schreibt Erich Fried weiter, wenn man die Taschenlampe nach vielen Jahren anknipsen will, "kommt kein Atemzug Licht mehr heraus".
Am Schluss des Gedichts schreibt er: "Da hättest du genau so gut leuchten können."

Erich Fried vergleicht damit ungelebtes Leben mit einer Taschenlampe, die nicht leuchtet.
Diese Taschenlampe - und damit auch das ungelebte Leben
- halten zwar länger, werden aber schwierig bis gar nicht wieder zum Leuchten gebracht werden.

Ich glaube, er hat absolut Recht.
Wir können nicht einfach meinen, so ungeschoren durchs Leben zu kommen.

Wir haben keinen Anspruch darauf, gesund zu bleiben oder besonders alt zu werden.
Jeder von uns wird früher oder später sterben, keine Frage.

Jemand hat mal gesagt: "Das Leben ist wie der Aufenthalt in einem brennenden Haus."
Das Feuer wird mit unserer Geburt gelegt und wir wissen, dass das Haus eines Tages einstürzen wird.
Wir wohnen darin, hängen Bilder an die Wände, darunter noch Tapeten, stellen Blumen auf die Tische - und das ist auch gut so.
Wir richten uns ein - in dieser Zeit und in diesem Haus, obwohl wir wissen, dass es früher oder später ganz sicher einstürzen wird.
Ich finde ganz bemerkenswert, was er hier sagt.
Wir stehen vor der Wahl. Entweder versuchen wir, unser Leben zu schützen, auch auf die Gefahr hin, so zu sein, wie die Taschenlampe, die wir in die Schublade legen... immer nur zu sichern und zu sparen.
Was passiert? Auch die Lampe wird ihr Licht verlieren, aber sie hat zwischendurch nicht geleuchtet.
Wir können es anders sagen: "Wir haben nicht gelebt."
Wir können ständig darum kreisen, was uns alles passieren könnte. Aber diese Einschätzung ist nicht einmal objektiv.
Es ist viel gefährlicher, am Straßenverkehr teilzunehmen, ob mit dem Auto, dem Fahrrad oder als Fußgänger; und trotzdem wird niemand auf die Idee kommen, deshalb nur noch zu Hause zu bleiben.
Wir hätten das Leben verpasst und am Ende auch nichts gewonnen.

"Ein Schiff ist im Hafen sicher,
aber dafür wurde es nicht gebaut."

Leben ist auch immer Risiko und wenn wir uns diesem Risiko nicht aussetzen, dann werden wir auch nicht richtig leben können.

Wir werden in der Welt immer Angst haben. Das ist Grundbedingung unseres Daseins. Es gehört zu unserer körperlichen Grundausstattung. Aber wir müssen auch zusehen, dass wir es ausbalancieren können und dass der große Rahmen stimmt.
Wir sollten uns in diesem Rahmen bewegen und unser Leben genießen.

Am Grab der meisten Menschen
trauert, tief verschleiert,
ihr ungelebtes Leben.
 
Leben hat die Chance, zu leuchten. Dafür ist es da.

Sonntag, 18. Oktober 2020

Am Katzentisch

Samstag, 17. Oktober 2020:
Am Katzentisch

Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz.
Ich war müde und hungrig von der Wanderung auf dem Malerweg.
Also betrat ich das erstbeste Restaurant.
Ein gemütlicher Raum, Kerzenlicht, eine gute Wahl, wie ich fand.
Die Bedienung führte mich an den letzten freien Platz.

Erst als ich mich gesetzt hatte, bemerkte ich den Fehler.
Links von mir saß ein Pärchen, Händchen haltend.
Rechts von mir saß ein zweites Pärchen, sich in die Augen blickend.
Der freie Tisch dazwischen hatte die Intimsphäre der beiden Paare gewahrt.
Nun saß ich dort, stumm, ohne Gegenüber.

Die Pärchen hatten sicher das Gefühl, dass ich lauschte, was ich ja auch zwangsläufig tat. Es war mir etwas unangenehm.
Vielleicht hätte ich wieder aufstehen sollen, vielleicht hätte ein lustiger Spruch die Situation gerettet.
Ich schaute im Raum umher und beschäftigte mich mit einer Zeitung.
Meine Tischnachbarn hatten es einfacher, sie konnte einander vielsagende Blicke zuwerfen.

Alleine gehe ich lieber nur noch spätabends ins Restaurant, wenn die meisten anderen schon wieder weg sind.
Die Atmosphäre ist oft sogar schöner. Die Kellner kommen zur Ruhe, haben Zeit für einen Plausch.

In Österreich setzte sich einmal ein Wirt zu mir an den Tisch, schenkte Obstbrand ein und erzählte von seinem Gasthaus, das er in der vierten Generation führt.
Ein anderes Mal war die Küche eines tiroler Gasthauses schon geschlossen, doch die Inhaberin schmierte mir Brote, die ich bei ihr an der Theke essen durfte, während sie mir den Tratsch aus dem Dorf erzählte.

Beide nahmen sich meiner an, weil sie glaubten, dass ich einsam war. Dabei war ich doch nur allein.