Mittwoch, 9. Dezember 2015

Prag im Advent - Tag 2

Samstag, 05. Dezember 2015 – Tag 2, Stadtführung und Sehenswürdigkeiten:
Frühstück um 07:30 Uhr. Da der zweite Frühstückssaal des Hotels noch nicht oder noch nicht wieder einsatzfähig ist, müssen alle Personen im verbleibenden Raum einen Platz finden. Unser Entschluss, sich früh über das Buffet herzumachen, zahlt sich aus, denn als wir 35 Minuten später fertig sind, steht schon eine lange Schlange an.
Doch unser Glück endet noch nicht, die Vorhersage hat Recht behalten. Die Sonne bahnt sich den Weg durch die dünne Wolkendecke, die wenig später verschwinden wird.
Ich spaziere ein bisschen vor dem Hotel herum und frische im Internet mein Wissen über Prag auf.
Um 1230 wurde Prag zur Residenzstadt des Königreichs Böhmen und im 14. Jahrhundert als Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches zu einem politisch-kulturellen Zentrum Mitteleuropas. In Prag wurde 1348 die erste Universität Mittel- und Osteuropas gegründet. Über Jahrhunderte hinweg war Prag eine multikulturelle Stadt, in der sich tschechische, deutsche und jüdische Kultur begegneten und gegenseitig inspirierten.
Prag wird auch als die "Goldene Stadt der hundert Türme" bezeichnet.
Sie zeigt heute ein geschlossenes, von Gotik und Barock geprägtes Stadtbild und zählt mit mehr als fünf Millionen ausländischen Touristen im Jahr zu den zehn meistbesuchten Städten Europas.
Der Beiname "Goldene Stadt" bezieht sich auf die Sandsteintürme, die bei Sonneneinstrahlung in Goldtönen schimmern. Eine weitere Erklärung für diese Bezeichnung ist, dass Kaiser Karl IV. die Türme der Prager Burg vergolden ließ. Außerdem war die Stadt zur Zeit Rudolfs II. ein Anziehungspunkt für Alchemisten.
Auch der Name "Stadt der hundert Türme" ist schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt und stammt von den zahlreichen Türmen, die das historische Stadtbild prägen.

Pünktlich um 09:00 Uhr starten wir zu unserer Stadtbesichtigung der Moldau-Metropole. Mit im Bus unser Fremdenführer Peter. Ich höre erst seine Stimme durch das Mikrofon, bevor ich ihn sehe und bin anfangs etwas irritiert, wie zart und kindlich er spricht.
Unsere Fahrt beginnt in Fließrichtung rechts der Moldau, wo sich die Stadtteile Altstadt und Neustadt mit dem Nationaltheater sowie dem jüdischen Viertel samt seinem weltbekannten Friedhof befinden. An der Grenze zwischen Alt- und Neustadt liegt der Platz der Republik  mit dem Pulverturm.
Wir halten am Hauptbahnhof und lassen die Personen aussteigen, die nicht an der Stadtführung teilnehmen möchten.
Weiter geht es über die Moldau zur Kleinseite mit ihren alten Bürgerhäusern sowie dem tschechischen Parlament und den an die Prager Burg angrenzenden Stadtteil Hradschin.
Im zweiten Weltkrieg wurde Prag kaum zerstört. Viele alte Gebäude sind dadurch im ursprünglichen Zustand erhalten geblieben.
An der Prager Burg, die das größte geschlossene Burgareal der Welt bildet, steigen wir aus und folgen Peter ins Innere. Die Ausmaße der Anlage sind beeindruckend. Wir gehen weiter auf dem Gelände zum größten Kirchengebäude Tschechiens, dem Veitsdom, der ein wenig an den Kölner Dom erinnert.
Obwohl sich hier sehr viele Menschen aufhalten, können wir das Gotteshaus ohne Wartezeit betreten. Der Eintritt in das hintere Viertel des Doms ist frei. Peters Worten lausche ich so gut es im Trubel irgendwie geht. Noch ein letzter Blick in das Mittelschiff des Langhauses und wir verlassen das Gebäude Richtung Burghof, wo wir den Dom in der Seitenansicht bestaunen können.
Es sind nur ein paar Schritte zum Georgsplatz, wo sich die Leute um Holzbuden scharen; es sieht sehr nach Weihnachtsmarkt aus. Kurz vor dem Platz bleibt Peter stehen und zeigt uns den Alten Königspalast, in dem sich am 23. Mai 1618 auf der uns abgewandten Seite der Zweite Prager Fenstersturz ereignete, der den Beginn des Dreißigjährigen Krieges markierte und einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte Europas darstellt.
Unsere letzte Station ist der Ehrenhof, der den Zugang zum Areal der Prager Burg vom Westen her bildet.
Durch das Tor treten wir auf den Hradschin-Platz und halten uns links bis zur Mauer.
Von diesem erhöhten Punkt hat man eine schöne Aussicht auf das historische Stadtviertel Hradschin mit prächtigen Barockpalästen und -kirchen, aber auch kleinen malerischen Gässchen. Leider ist es momentan etwas diesig.
Von hier sieht man auch die Deutsche Botschaft, die 1989 in den Blickpunkt der Medien geriet und zu einem Ort deutscher und europäischer Geschichte wurde, als ab August tausende DDR-Bürger dort Zuflucht suchten und das Gelände der Botschaft besetzten.
Der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher traf am Abend des 30. September 1989 ein. Versammelten Journalisten sagte er, er möchte ihnen keine Mitteilung machen, da er zunächst mit den Deutschen aus der DDR sprechen wolle.
Um 18:58 Uhr gab er vom Balkon des Palais aus bekannt
"Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen,
dass heute Ihre Ausreise… in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist."
John-Lennon-Mauer

Weiter oberhalb der Deutschen Botschaft zeigt sich – etwas im Dunst gehüllt – der Aussichtsturm Petřín, der als verkleinerter Nachbau des Pariser Eiffelturms errichtet wurde.
Peter führt uns weiter zur St.-Nikolaus-Kirche und der mit Graffiti bemalten John-Lennon-Mauer, vor der oft Musiker Songs von Lennon oder den Beatles spielen.
Man sieht sehr viele Segway-Roller. Die geführten Touren auf diesen Steh-Rollern scheinen sehr beliebt zu sein. Bei der Vielzahl an Touristen ist es aber nicht leicht für Neulinge, das Gefährt sicher durch die Menschenmassen zu bewegen.
Jogger und Radfahrer hingegen begegnen uns so gut wie gar keine. Merkwürdig, steckt doch das Wort "Advent" in "Fahrradventil". Dieses Geheimnis hat die Kirche lange gehütet – warum auch immer!

Nun folgt das Pflichtprogramm für Touristen – die Karlsbrücke. Sie ist die älteste erhaltene Brücke über die Moldau und eine der ältesten Steinbrücken Europas. Sie verbindet auf einer Länge von ca. 515 Metern die Altstadt mit der Kleinseite.
Bei der Einweihung der Karlsbrücke trug diese noch keinen Brückenschmuck. Erst nach und nach wurden über den Brückenpfeilern Skulpturen von Heiligen und Patronen aufgestellt. Wohl am bekanntesten ist die Statue des heiligen Johannes von Nepomuk, der angeblich an dieser Stelle im Jahre 1393 ertränkt wurde. Es ist gleichzeitig die älteste der insgesamt 30 Figuren, die seit 1965 schrittweise durch Repliken ersetzt werden. Die Originale gelangen in das Lapidarium des Nationalmuseums.

Teilweise begleitet von Segway-Touristen geht es weiter durch kleine Gässchen und der Fußgängerzone bis zum Altstädter Ring, wo ein großer Weihnachtsmarkt stattfindet. Bevor ich mich wundern kann, warum ein großer Pulk Menschen Richtung Rathaus schaut, klärt Peter auf:
Die Prager Rathausuhr, auch Aposteluhr genannt, ist eine weltweit bekannte astronomische Uhr aus dem Jahr 1410, die sich an der Südmauer des Altstädter Rathauses befindet. Sie ist ein Meisterwerk gotischer Wissenschaft und Technik und ein wertvolles Kulturdenkmal.
Unser Timing ist perfekt. Nur noch ein paar Minuten sind es bis 12:00 Uhr. Dann beginnt das Glockenspiel, bei dem zu jeder vollen Stunde Christus und die zwölf Apostel erscheinen. Peter verabschiedet sich und gibt uns 90 Minuten Zeit zur freien Verfügung, die wir nutzen, um über den Weihnachtsmarkt zu schlendern. Hier trinke ich meinen ersten Glühwein dieser Saison. Ob er von glücklichen Glühen ist, konnte mir die Verkäuferin nicht sagen… irgendwie hat sie mich nicht verstanden.
Um 13:30 Uhr treffen wir Eva, die uns für den Rest des Tages als Begleitung zur Verfügung steht. Wie schon Peter, ist auch sie sehr nett, freundlich und versorgt uns mit allerlei interessanten Informationen.
Wir schlagen den Weg Richtung Moldau ein, der uns zunächst an Josefov (Josephstadt), dem Prager Ghetto, mit seinem bekannten jüdischen Friedhof vorbeiführt.
Trotz seiner kleinen Fläche von ca. 1 Hektar enthält er über 12.000 Grabsteine und vermutlich die Gebeine von 100.000 Menschen.
Da es im Ghetto keine Erweiterungsmöglichkeiten gegeben hatte, begrub man aus Platzmangel die Verstorbenen in bis zu zwölf Schichten, berichtet Eva.
Die Gedanken sind frei
Bei der Anlegestelle warte ich ungeduldig, bis wir an Bord unseres Schiffes gehen können. Ich liebe es, auf jeder Art von Wasserfahrzeug unterwegs zu sein. Für 20 Euro pro Person werden wir zwei Stunden auf der Moldau an allerlei Sehenswürdigkeiten vorbeigeführt.
Im Preis enthalten ist ein Buffet, so ist also auch unser Mittagessen gesichert.
Jetzt endlich ist es soweit, wir laufen aus… in Gedanken höre ich Hans Albers singen… "Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise."
Während sich die Meute über das Buffet hermacht, gehen mein Freund und ich raus über die Treppe zum Sonnendeck achtern, stellen uns an die Reling, halten die Nase in den Wind und versuchen, die Eindrücke so gut es geht mit unseren Kameras einzufangen.
Jetzt erst mal essen und erneut aufs Sonnendeck, wo ich ein paar Stichpunkte für diesen Blog aufschreibe und die Aussicht genieße.
Unser Kapitän steuert das Schiff flussauf- und –abwärts. Wie Eva beim Essen erzählt hat, ist die Moldau, deren tschechischer Name "Vltava" so viel wie "wildes, reißendes Wasser" bedeutet, hier im Stadtgebiet nur durchschnittlich drei Meter tief. Etwa zehn Meter misst sie an der tiefsten Stelle. Na ja, "wild" und "reißend" sind hier wohl die falschen Adjektive, denn wir bewegen uns in sehr ruhigem Wasser.
Karlsbrücke mit Altstädter Brückenturm
Zur perfekten Zeit präsentiert sich die Karlsbrücke im Sonnenuntergang.
Zwei Stunden sind leider viel zu schnell vorbei und so machen wir uns auf dem Weg zurück zum Altstädter Ring. Es ist unfassbar, wie viele Menschen hier den ganzen Tag über unterwegs sind. Selbst in den Seitenstraßen kann man dem Strom nicht entgehen. Prag sei immer gut besucht, meint Eva. Aber jetzt gerade in der Adventszeit bei gutem Wetter, sei sie selbst überrascht, wie viel Trubel hier herrscht.
Dagegen war Chodov fast schon verträumte Landidylle.
Ich empfinde es jedenfalls nicht als unangenehm – im Gegenteil, Prag gefällt mir, zumal es überall sehr sauber ist. 
Wir laufen momentan über die Parízská, die Pariser Straße. Sie ist die teuerste Einkaufsmeile in Prag. Hier haben sich alle Luxusmarken von Dior über Gucci bis zu Louis Vuitton angesiedelt. Sie verläuft direkt vom Rathausplatz in die Josephstadt hinein bis zur Moldau.
Hier ist jeder Baum mit schönen Lichterketten verziert. Es vermittelt alles eine tolle, vorweihnachtliche Stimmung, ohne kitschig zu wirken.
Altstädter Rathaus
Auf dem Markt beim Altstädter Ring gibt es noch eine Runde Glühwein bevor wir Richtung Wenzelsplatz spazieren, der 1848 nach dem Heiligen Wenzel von Böhmen benannt ist und mit einer Breite von etwa 60 m und einer Länge von ca. 750 m zu den größten städtischen Plätzen Europas gehört.
Auch hier ist ein Weihnachtsmarkt zu bewundern. Bei jedem Schritt steigen mir allerhand Gerüche in die Nase, viele eindeutig identifizierbar, andere weniger.
Ein buttrig süßer Duft ist hier jedenfalls an jeder Ecke charakteristisch - "Trdelnik" (sprich: Tredellnik), oder auch "Trdlo" genannt, ist ein traditionelles Süßgebäck, das die Form einer Rolle hat und über glühenden Kohlen auf sich drehenden Stöcken gebacken und anschließend in Zimt und Zucker gewälzt wird. Man sieht auch Varianten, die mit Nutella bestrichen sind.
Am oberen Ende des Wenzelsplatzes tauchen wir mit Blick auf das Nationalmuseum (Národní Muzeum) in die Erde ab, um zur Metro zu kommen.
Národní Muzeum heißt auch die Haltestelle der U-Bahn. Für 24 Kronen, also etwa 90 Cent, pro Person bekommen wir eine Fahrkarte. Acht Stationen sind es mit der roten Linie C bis Chodov. Zu Fuß sind wir bald im Hotel, wo wir an der Bar unser Geld sinnvoll für Bier und Rotwein ausgeben. Morgen kann man schon überall in Euro zahlen und so investiere ich meine letzten Kronen in Bier, bis ich im wahrsten Sinne des Wortes KRONisch pleite bin.
KRONisch pleite

Obwohl wir heute etliche Stunden im Großstadtdschungel mit viel Verkehr und großen Menschenmassen unterwegs waren, empfand es niemand von uns als nervig oder störend. Die Moldau-Metropole überraschte mit vielen Sehenswürdigkeiten, die zu einem kurzweiligen Tag beigetragen haben.
Vor Taschendieben wird vor allem in der U-Bahn und in Bussen mit Schildern gewarnt. Auch warnten uns Busfahrer und Reiseführer, obwohl in Prag sicher nicht mehr oder weniger gestohlen wird, als in anderen Touristen-Hochburgen.
Jedenfalls wurde niemand aus unserer Reisegruppe Opfer von Taschendieben.
Überall gab es reichlich Polizeipräsenz - in Autos, zu Fuß oder auf dem Pferd. Auffällig viele Polizisten waren mit Maschinenpistolen bewaffnet, was wohl ein bisschen Sicherheit vermitteln soll.

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