Montag, 25. Januar 2016

Mördertour zum Tiroler Stein

Sonntag, 24. Januar 2016:
Mördertour zum Tiroler Stein


Blutige Morde hat es im Hochwald glücklicherweise schon lange nicht mehr gegeben. Doch in ferner Vergangenheit geschah so manch grausiges Verbrechen in der Region. An einigen Tatorten wurden später Mahnmale errichtet.

Sie erinnern an einen erschossenen Gerichtsvollzieher, an Raubüberfälle, denen Kaufleute zum Opfer fielen, oder an ein Mädchen aus Greimerath, das von französischen Soldaten getötet wurde.
Im Hochwald stehen sechs steinerne Denkmäler, die die Tatorte von Mord und Totschlag markieren und damit an schlimme Verbrechen der Vergangenheit erinnern:
+ Der Lindenstein
+ Das Kreuz an der Simonsmühle
+ Das Kreuz im Marjeter Forst
+ Das Kreuz bei Greimerath
+ Das Kreuz bei Vierherrenborn
+ Der Tiroler Stein


Bei kühlen 8 Grad stehen wir mit 14 Personen am Wanderparkplatz Hujetsmühle an der L 165 zwischen Abentheuer und Börfink/Einschiederhof, wo sich auch einer der Startpunkte zur Traumschleife "Trauntal-Höhenweg" befindet.
"Mördertour zum Tiroler Stein" lautet das Motto der heutigen Wanderung.
Zum 275. Mal jährte sich am 19. Januar 2016 das Verbrechen am Tiroler Händler Thomas, der 1741 im heutigen Nationalpark Hunsrück-Hochwald von einem Unbekannten erschlagen wurde.
Gemeinsam mit Nationalparkführer Gerhard Hänsel machen wir uns um 10:30 Uhr auf den letzten Weg des Tirolers. Von der Hujetsmühle aus, wo der Mann zuletzt in einer Schankwirtschaft gesehen wurde, hinauf auf den Tiroler Kopf, wo man einst die Leiche fand.

Wir nehmen an einer Premiere teil, denn es ist Gerhards erste Wanderung als zertifizierter Nationalparkführer.
Gerhard Hänsel ist leidenschaftlicher Naturfotograf und einer der Väter des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, denn er hat den Nationalparkprozess von Anfang an begleitet.

Er gründete bereits 2012 die Facebook-Seite "Nationalpark Hunsrück", die er seitdem mit schönen Fotos und aktuellen Informationen bestückt.
Außerdem betreibt er eine eigene Homepage (www.hochwaldzeiten.de) und macht auf der gleichnamigen Facebook-Seite Werbung für den Nationalpark.
Seine tollen Naturaufnahmen sind u.a. in vielen Publikationen rund um den Nationalpark zu finden.

Wir folgen ihm zunächst Richtung Hujetsmühle, wo sich seit 1995 der Goloka-Dhama Verein befindet, ein wichtiges Europäisches Zentrum der Hare-Krishna-Bewegung und ein Pilgerort für alle, die nach Ruhe, Erholung in der Natur und tiefer Spiritualität suchen.
Ob die KFZ-Kennzeichen BIR – OM xx Zufall sind?

Hier jedenfalls stehen wir vor dem Wirtshaus ehemals Roth, wo Thomas zuletzt lebend gesehen wurde.
Es geht weiter aufwärts entlang des Bleidenbachs. Leider hat es vorgestern geregnet, sodass ein Großteil des Schnees geschmolzen ist und sich in den Fahrspuren eine Eisschicht gebildet hat; die Wegeverhältnisse sind also etwas schwierig. Unter uns verläuft auf dem zum Teil neu angelegten Weg die ca. 32 km lange Verbindungsleitung von der Primstalsperre zur Steinbachtalsperre. Diese Verbindung ist u.a. erforderlich, um die Steinbachtalsperre zu Damm-Sanierungszwecken entleeren zu können, ohne dass die Wasserversorgung gefährdet wird.
Rund 185 Höhenmeter sind es hinauf bis kurz vor das Forsthaus Neuhof, wo Gerhard uns viele nützliche Informationen rund um den Nationalpark vermittelt. Die Sonne sendet ihre wärmenden Strahlen und es geht uns sichtlich gut... ein schönes Fleckchen hier oben.
Nach einer kleinen Pause wandern wir rechts weiter und biegen nach 550 Metern links vom Waldweg ab. Kurz darauf stehen wir an einer ganz besonderen Stelle mitten im tiefsten Hochwald, nahe Neuhütten auf dem Kamm der Dollberge bei den Koordinaten 49 Grad 39 Minuten 16 Komma 6212 Sekunden Nord und 7 Grad 3 Minuten 2 Komma 4588 Sekunden Ost.

Im Vordergrund der "Tiroler Stein". Dahinter das Denkmal
Erstens befinden wir uns auf der Grenze der beiden Landkreise Birkenfeld und Trier-Saarburg. Zweitens stoßen an diesem Platz die Gemarkungen der Dörfer Brücken, Neuhütten und Achtelsbach aufeinander, und drittens befindet sich hier der Grenzstein, der als "Tiroler Stein" bekannt ist.
Ein paar Meter weiter markiert das Denkmal "Tiroler Stein" - ein auf einem Steinsockel ruhendes Holzkreuz - die Stelle, an der sich vor 275 Jahren ein schlimmes Verbrechen ereignete.
Mitten im tiefsten Winter, am 19. Januar 1741, wurde an diesem Ort der Tiroler Wanderhändler Thomas, von dem nur der Vorname bekannt ist, heimtückisch überfallen und erschlagen.
Der Tat verdächtigt wurde ein Knecht des Wirtes des Nachbarorts Abentheuer. Ob der "Knecht Niklas von Hoppstädten", so soll er genannt worden sein, für diese schlimme Tat zur Rechenschaft gezogen wurde, ist allerdings nicht überliefert. Angeblich wurde der Mörder nie überführt.

Zur Erinnerung an den Wanderkaufmann aus Österreich wurde dieses Sühnekreuz errichtet.
Die Erinnerung an die Tat lebt auch in der Flurbezeichnung "Tirolerstein" fort.
Das Kreuz wurde 1988 erneuert.

Etwa 900 Meter in nordöstliche Richtung sind es von hier zum "Friedrichskopf", dem mit 707 Metern höchsten Punkt der Dollberge.

Ein weiterer interessanter Punkt liegt Luftlinie knapp 500 Meter südwestlich entfernt.

Dort findet man eine Gedenktafel, welche an den hier beim Absturz eines Starfighters ums Leben gekommenen Horst Stüber erinnert.
Am 10. März 2016 ist der 50. Todestag des damals 28-jährigen Piloten. 
Recherchiert habe ich bereits und werde zu gegebener Zeit hier im Blog davon berichten. 

Denkmal "Tiroler Stein"

Jetzt aber zurück zu Thomas…
was an jenem Tag wirklich geschah, weiß wohl niemand genau.
"Es gibt mehrere unterschiedliche Versionen, und im Lauf der Zeit wurde einiges dazugedichtet", weiß Gerhard Hänsel.


Eine spannende, historisch aber nicht haltbare Beschreibung des mörderischen Geschehens, bei der sogar ein Ausspruch des nie gefassten Täters zitiert wird, findet sich beispielsweise auf den Homepages der Ortsgemeinden Abentheuer und Brücken.
http://www.abentheuer.de/2012abisz/sagen.htm


Es gibt aber auch seriösere Überlieferungen, was sich im Winter 1741 ereignet hat. Zum Beispiel in der im vorigen Jahr von Hans Ruppenthal zusammengetragenen Sammlung "Sagen, Geschichten, Berichte und Geheimnisse aus dem Nationalpark".
Grausiger Fund im hohen Schnee (verkürzter Auszug)

Danach war der Tiroler Händler Thomas zu dieser Zeit im ganzen Hochwald bekannt.
Bevor er sich im kalten und schneereichen Januar 1741 vom Naheland aus auf den Weg ins Kurtrierische machen und Märkte in Züsch und Malborn besuchen wollte, machte er in Abentheuer Station im Wirtshaus von David Roth.
Dort wurde der Tiroler Krämer laut Überlieferung beim Geldzählen beobachtet.
Seine Schlafstätte in einem Strohlager teilte er mit einem Knecht, dessen Name in einer Abhandlung als Niklas von Hoppstädten angegeben wird.
Am 19. Januar verließ Thomas sein Quartier in Abentheuer. Doch in den Ortschaften, die seine Ankunft fest erwarteten, kam er nie an. Da nach seinem Ausbleiben das Schlimmste befürchtet wurde, erhielten die Gerichtsschöffen des Amts Birkenfeld, Pauli und Faber, zusammen mit einem Polizeiwachtmeister den Auftrag, den Züscher Wald "diesseits der Amtsgrenze durchaus wohl zu visitieren".
An der Stelle des heutigen Tirolersteins machte der Suchtrupp dann die grausige Entdeckung. In den Quellen heißt es, dass die Männer zunächst Thomas' Kramkasten aus dem Schnee herausragen sahen. Dicht daneben lag der tote Händler in einer Blutlache.
Die spätere Untersuchung durch den Amtschirurgen Bethmann kam zu dem Ergebnis, dass der Tiroler durch "Streiche" auf Kopf und Gesicht ums Leben kam.
Es wurde aber laut der von Ruppenthal angeführten Überlieferung "kein Prügel oder Stein gefunden, um zu beweisen, womit der Totschlag geschehen sei".

Das Geld des Ermordeten war verschwunden, in seinen Kleidern fanden sich nur noch einige persönliche Gegenstände. Begraben wurde der Händler am 23. Februar 1741 auf dem Birkenfelder Friedhof. Sein Tod blieb ungesühnt. Zwar wurde der Knecht, der mit Thomas in Abentheuer genächtigt hatte, der Tat stark verdächtig.
Er war einige Tage nach dem Verschwinden des Tirolers in einem Wirtshaus dadurch aufgefallen, dass er für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel Geld bei sich trug. Nachzuweisen war ihm der Mord aber nicht.
Die Erinnerung an die Bluttat inmitten des heutigen Nationalparks lebt im Sühnekreuz fort. Erstmals schriftlich erwähnt wurde der Tirolerstein im Jahr 1812.
Der Heimatverein Neuhütten hat die Gedenkstätte in den 1980er-Jahren restauriert. Zwischenzeitlich wurde dort auch ein kleiner Rastplatz mit Tisch und Sitzbänken angelegt.


Besuch bei Thomas
Thomas ist ein ruhiger Gastgeber, aber es gibt etwas zu trinken, denn unser netter Mitwanderer Caspar spendiert kleine 0,1-Liter-Flaschen Riesling des Weinguts Köwerich aus Leiwen mit dem wohlklingenden Namen "Für Feen und Elfen".
Nachdem wir diese geleert haben, machen wir uns auf den Rückweg unterhalb des Friedrichskopfes.
Flügel sind mir keine gewachsen, zaubern funktioniert nicht und besondere Kräfte kann ich auch nicht spüren… na ja, geschmeckt hat der Wein jedenfalls. War vielleicht einfach zu wenig.

Immer wieder gibt es reichlich Einblicke in den winterlichen Nationalpark Hunsrück-Hochwald bevor wir nach acht Kilometern am Ausgangspunkt der Wanderung angelangt sind. Hier bekommen wir interessantes Material zum Nationalpark, u.a. auch die sehr brauchbare "Starterkarte" und Aufkleber mit dem Wahrzeichen des Nationalparks, die aus keltischen Ornamenten, einer Wildkatze sowie eines keltischen Knotens stilisierte "Keltenkatze".
Wenn auch der Weg als solcher wenig interessantes zu bieten hatte, da er auf breiten Forstwegen verlief, so ist es eben der Weg des Tirolers und das war schließlich der Sinn. Uns hat es jedenfalls sehr gut gefallen.
Und wer möchte, kann ja noch die zum Saar-Hunsrück-Steig gehörende Traumschleife "Trauntal-Höhenweg" anhängen.

Wegen großer Nachfrage hat sich Gerhard entschieden, die Tour am 28. Februar zu wiederholen. Dann wird auch der Besuch von Horst Stübers Gedenkstein mit in die Tour eingebunden. 
Der Pin oben rechts markiert den "Tiroler Stein", der linke den Gedenkstein für Horst Stüber.
Unten im Bild das Forsthaus Neuhof
.

Koordinaten des Grenzsteins "Tirolerstein":
Dezimalgrad (WGS84): N 49.654617 E 7.050683
Grad, Dezimalminuten: N 49° 39.277020 E 7° 3.040980
Grad, Minuten, Dezimalsekunden: N 49° 39' 16.6212 E 7° 3' 2.4588 

Koordinaten des Denkmals: 
Dezimalgrad (WGS84): N 49.654367E 7.050267
Grad, Dezimalminuten: N 49° 39.262020 E 7° 3.016020
Grad, Minuten, Dezimalsekunden: N 49° 39' 15.7212 E 7° 3' 0.9612

Weitere Informationen, Fotos und GPS-Dateien unter
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=dohdvavefggdtpcv

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