Montag, 30. Juli 2018

Viktoriastift in Finkenbach-Gersweiler

Sonntag, 29. Juli 2018:

Es ist die Fremde, die einen lockt und die Neugier, die einen treibt.

Rennrad-Tour durch das Nordpfälzer Bergland, das durch zahlreiche Hügel und Täler gekennzeichnet ist, welche dem Landstrich eine stark variierende Höhenlage verleihen.

Vom Marktplatz Idar geht es über Oberstein, Nahbollenbach und Weierbach zur "Bärenbacher Brücke" und von dort weiter über Bärenbach, Schmidthachenbach, Becherbach, Otzweiler, Sien, Hoppstädten bei Lauterecken, Merzweiler, Kappeln, Löllbach, Jeckenbach, Breitenheim, Meisenheim, Reiffelbach, Gangloff sowie Waldgrehweiler nach Finkenbach-Gersweiler. Und plötzlich steht er da. Wie aus dem Nichts…
Selbst dem Fahrer, der seine Augen fest auf die Straße fixiert hat, entgeht der imposante Gebäudekomplex rechts am Ortsausgang von Finkenbach-Gersweiler nicht. Vielen Nordpfälzern ist er sicher ein Begriff: Das "Viktoriastift" in Finkenbach-Gersweiler.
Das wohl bedeutendste und größte Landgut des Donnersbergkreises steht am nördlichen Ortsausgang in Richtung Schiersfeld, direkt am Moschelbach und kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken.
Das ehemals prachtvolle Hofgut lässt heute leider nur noch den Glanz und Prunk seiner einstigen Blütezeit erahnen. Es ist verwildert, verwahrlost und wirkt wie eine eigens für einen Horrorfilm konstruierte Kulisse.
Mit einem Mal wird mir klar, warum es im Internet immer wieder erwähnt und in vielen Urbexer-Foren als "Geistervilla" beschrieben wird.


In den Jahren 1919 bis 1922 wurde die schlossartige Dreiflügelanlage mit villenartigem Herrenhaus nach den Plänen des Ludwigshafener Architekten August Greifzu, der vor allem als Kirchenarchitekt tätig war, für den gebürtigen Finkenbach-Gersweilerer Kaufmann Heinrich Lieser im neubarocken Stil erbaut. Lieser, der es als Eisenwarenhändler und mit Kriegsspekulationen zu einem großen Vermögen brachte, ging 1926 in Konkurs, worauf das Hofgut an die Kinderheilanstalten Bad Kreuznach verkauft wurde.
In der Folge nutze man den Gebäudekomplex als Kindererholungsheim, NSV-Müttergenesungsheim, Landesumschulungshof, sowie Altenheim und Siechenhaus.
Die seit 1993 als Denkmalzone unter Schutz stehenden Gebäude sollten restauriert und mit neuem Leben gefüllt werden.
Doch stattdessen geschah nichts.
Der Zahn der Zeit nagt weiter an der historisch so bedeutsamen Bausubstanz und das Anwesen verfällt nach und nach.


Viele Minuten bleibe ich stehen, lasse wie gebannt meinen Blick in alle Richtungen schweifen und denke an die Kinder, Frauen, Arbeiter, Soldaten, Alten und Kranken, die alle schon hier gewesen sind.
Wie bei allen bisherigen "Lost Places", jenen verlassenen Orten, die ihren ursprünglichen Nutzen verloren haben und dem Menschen zu keinerlei Zweck mehr dienen, fasziniert mich auch hier der Reiz des Vergessenen.
Diese Orte schaffen es, über Generationen hinweg und im stetigen Wandel befindlich, eine außergewöhnliche Atmosphäre zu wahren.
Beeindruckt vom Erlebnis der visuell gewordenen Erinnerung an vergangene Zeiten, fahre ich weiter über Schiersfeld, Sitters, Obermoschel, Niedermoschel, Hochstätten und Altenbamberg nach Bad Münster am Stein.
Retour führt die Strecke entlang des Rotenfelsmassivs nach Norheim und von dort über Niederhausen, Boos, Staudernheim, Bad Sobernheim, Meddersheim, Merxheim, Martinstein, Hochstädten, Kirn und Kirn-Sulzbach zur Bärenbacher Brücke.
Von hier führt die Strecke wie auf dem Hinweg zurück nach Idar.

Weitere Informationen, Fotos und GPS-Dateien unter:

https://www.gpsies.com/map.do?fileId=oarzerthktapdnyb

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