Sonntag, 14. April 2019:
Diese Waden kenne ich – und auch das stepptanzähnliche Klackern, das seine Schuhe beim Auftreten von sich geben.
Ein schmaler Oberkörper, Arme, die sich aus dem Radtrikot drücken wie Teewurst aus der Pelle, die kleine Mütze mit der Werbung einer italienischen Sportartikelfirma: Der Mann, der sich gerade in der Bahn zu mir setzt, ist Rennradfahrer.
Auch ich bin oft mit dem Rennrad unterwegs, wenn ich viel Zeit und zu viele Gedanken habe.
Meist so früh, dass in der Mitte der Straßen noch die Krähen sitzen.
Nichts entspannt mich so wie das Radfahren.
"Mallorca?", frage ich den Mann, weil ich weiß, dass alle Rennradbegeisterten dort im Frühjahr oder Winter ihr Lager aufschlagen.
Er nickt und lädt mich auf Nudeln ein, die er in einer Plastikdose transportiert.
Nudeln ohne alles, Kohlenhydrate, Sportlerspeise.
Wir fangen schnell an zu fachsimpeln über Rahmen von Bianchi und das Schaltwerk von Campagnolo, als sprächen wir über Weine.
Seine Haut spannt sich straff über die Muskeln und macht es schwer, sein Alter zu schätzen.
Mit elf habe er begonnen Rad zu fahren, sagt er.
"In 50 Jahren habe ich dreimal den Beruf gewechselt, war zweimal verheiratet und habe in fünf Städten gelebt", erzählt er weiter.
Wir sind uns einig: Das Einzige, was uns immer Kraft gegeben hat, war das Surren der Kette auf dem Fahrrad.
Während er weiter erzählt, vermisse ich mein Rad und denke an den Wind und die Krähen auf der Straße.
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