Dienstag, 12. August 2025

Kursk – 25 Jahre danach: Erinnerung an eine Katastrophe unter Wasser

Kursk – 25 Jahre danach: Erinnerung an eine Katastrophe unter Wasser

Am 12. August 2000, um 11:28 Uhr Moskauer Zeit, explodierte im Barentssee ein russisches Atom-U-Boot der Oscar-II-Klasse – die Kursk.
25 Jahre später ist das Unglück nicht nur eine Tragödie mit 118 Todesopfern, sondern auch ein Sinnbild für das dramatische Ende einer Ära, für militärische Intransparenz und das menschliche Bedürfnis nach Wahrheit, Gedenken und Veränderung.

Die "Kursk": Das 1990 gebaute U-Boot auf einer undatierten Archivaufnahme im Hafen des nordrussischen Marinestützpunkts Zapadnaya Lista.
Der Stahlkoloss von 154 Metern Länge und über 14.000 Tonnen Gewicht wurde von zwei Atomreaktoren angetrieben.
Die tauchende Festung war mit 24 Marschflugkörpern und 28 Torpedos bestückt.

  

Die Katastrophe

Die Kursk war der ganze Stolz der russischen Nordflotte – modern, gewaltig, angeblich unsinkbar. Doch während eines groß angelegten Manövers kam es zur Katastrophe: Ein defekter Torpedo entzündete sich in einem Bug-Torpedorohr und löste eine Kettenreaktion aus. Die erste Explosion wurde zunächst kaum bemerkt.
Zwei Minuten später erschütterte eine zweite, deutlich stärkere Explosion das Schiff – das Schicksal der Kursk war besiegelt.
Das U-Boot sank auf den Grund der Barentssee, rund 108 Meter tief.

Verpasste Chancen, verlorene Leben

In den folgenden Tagen hielt sich die russische Regierung mit Informationen zurück.
Angehörige und die Öffentlichkeit wurden mit vagen Aussagen und Halbwahrheiten vertröstet. Erst mit Verzögerung bat Russland internationale Hilfsteams um Unterstützung – zu spät für die Männer, die die Explosionen überlebt hatten.
Später gefundene Notizen deuteten darauf hin, dass einige Seeleute im hinteren Teil des U-Boots (neunte Sektion) noch Stunden, möglicherweise sogar Tage, am Leben waren. Ihre letzten Worte, auf Zettel gekritzelt, zeugen von Angst, Mut und Verzweiflung….
Ein feuchtes Stück Papier, gefunden von Marinetauchern im Innern des Bootes beim ertrunkenen Kapitänleutnant Dmitri Kolesnikow (27 Jahre), dessen Leiche schwere Verbrennungen aufwies, dürfte bei den Herren im Kreml und im Flottenstab für Nervosität sorgen.
23 Seeleute, so die im Dunkeln gekritzelte Mitteilung, seien nach dem Untergang des U-Bootes noch am Leben gewesen und hätten vergeblich der Hilfe von oben geharrt.
Die letzten Worte von Kapitänleutnant Dmitri Kolesnikow werfen eine Frage auf, die noch immer ganz Russland erregt: Hätten die Seeleute lebend gerettet werden können, wenn Putin sofort und nicht erst am fünften Tag nach dem Unglück ausländische Hilfe akzeptiert hätte?
Hat die Staatsmacht kaltblütig Menschenleben geopfert?
Die Worte der Admiräle, schon "in den ersten Sekunden" nach der Explosion seien alle 118 Seeleute ums Leben gekommen, wurden mit dem Schreiben aus 108 Meter Tiefe jedenfalls widerlegt.
Dass der Brief überhaupt auszugsweise das Licht der Öffentlichkeit erblickte, kann indes als ermutigendes Zeichen gewertet werden.
Früher wären solche Zeilen schleunigst in ein Geheimarchiv gebracht und mit dem Stempel "Sowerschenno sekretno", "Streng geheim", versehen worden.
Davon abgesehen wäre es nicht verwunderlich, wenn andere wichtige Mitteilungen des Kapitänleutnants, die noch brisanter sind, unter Verschluss gehalten werden.

Politische Erschütterungen

Der Untergang der Kursk war nicht nur eine maritime Katastrophe, sondern auch eine politische. Die langsame und unbeholfene Reaktion der Regierung Putin – damals noch am Anfang seiner Amtszeit – löste national und international Kritik aus. Es war eine Konfrontation mit den Grenzen des post-sowjetischen Systems: maroder Technik, mangelnder Transparenz und einem politischen Apparat, der mehr auf Kontrolle als auf Menschlichkeit setzte.

Gedenken: Ein kleiner Junge steht am 12. August 2001 während einer Feier zum Gedenken an die 118 gestorbenen Besatzungsmitglieder des gesunkenen russischen U-Boots "Kursk" neben den Porträts der Opfer. Die Feier wurde in der Unterkunft der Soldaten in ihrer Heimatgarnison, Widjajewo, abgehalten. Die "Kursk" war ein Jahr zuvor während eines Großmanövers der Nordmeerflotte gesunken.
Foto: dpa

 

Lehren aus der Tiefe

In den Jahren danach wurden einige Reformen bei der russischen Marine angestoßen, doch die Kursk bleibt Mahnmal und Mythos.
Für die Angehörigen war es ein tiefer Einschnitt, für Russland ein schmerzhafter Realitätscheck. Die Kursk wurde 2001 in einer spektakulären Bergungsaktion an die Oberfläche geholt – ihre Hülle, einst Symbol militärischer Stärke, offenbarte die Wunden einer untergehenden Supermacht.

Gedenken 25 Jahre später

Heute – ein Vierteljahrhundert später – erinnern wir uns an die 118 Männer, die ihr Leben verloren. In Russland werden in Gedenkzeremonien Blumen niedergelegt, Kirchen läuten Glocken, Angehörige sprechen von offenen Wunden.
Doch auch über die Landesgrenzen hinaus bleibt das Unglück ein Ereignis, das bewegt. Es mahnt uns, die Risiken militärischer Macht mit Respekt zu betrachten, die Bedeutung von Transparenz zu erkennen – und vor allem, das menschliche Leben über politische Interessen zu stellen.


„Gruß an alle, nicht verzweifeln“ – diese Worte schrieb Leutnant Dmitri Kolesnikow wenige Minuten, bevor ihm der Sauerstoff ausging. 25 Jahre später hallen sie noch immer nach – als Erinnerung an ein dunkles Kapitel und als Aufruf, aus der Geschichte zu lernen.

 

Brieffragment:

Olechka (Verniedlichung von Olga), ich liebe dich, mach dir nicht so schlimme Sorgen.
Gruß an G.W. (Initialen), Gruß an meine Leute.

12.08.2000 15:15
Zum Schreiben ist es hier zu dunkel, aber ich versuche es mit Tasten (Fühlen).
Es scheint keine Chance zu geben, in % etwa 10-20
Wir hoffen, dass es von jemandem gelesen wird.
Hier ist die Liste des Personals der Sektionen, manche (Leute) befinden sich in der neunten (Sektion)
und werden versuchen rauszukommen.

Gruß an alle,
kein Grund zu Verzweiflung

Kolesnikov

 

Doch der vom Stabschef der Nordflotte bekannt gegebene Text ist nur ein Fragment des Kolesnikow-Zettels.
Manche glauben, dass ein Teil von Kolesnikows Nachricht noch immer geheim gehalten wird.

 

https://www.spiegel.de/geschichte/untergang-der-kursk-2000-russlands-tragoedie-putins-bewaehrungsprobe-a-8df7dfea-7b0c-4dc6-a045-5c26c6796859

 

https://www.spiegel.de/politik/moerder-der-kursk-a-9068ec1e-0002-0001-0000-000017705018

 

Donnerstag, 12. August 2021

30 Jahre "Nothing Else Matters"

Nothing Else Matters

Langweiliges Telefonat führt zum Hit

Harte Jungs mit weichem Kern: Metallica landeten 1991 mit der Monsterballade „Nothing Else Matters“ nicht nur ihren größten Single-Erfolg, sie lieferten auch einen der seitdem beliebtesten Hochzeitssongs.
Während der Aufnahmen des dazugehörigen „Black Albums“ gingen allerdings in der Band drei Ehen in die Brüche...

Es ist die Metal-Ballade schlechthin. Ein Klassiker der Rockgeschichte.
Nie zuvor haben so harte Jungs ein solch weiches Herz gezeigt.

So eine Nummer hat man der Band bis dahin nicht zugetraut.
Wie viele berührende Songs entsteht auch “Nothing Else Matters” aus einer betrübten Stimmung heraus.

James Hetfield, Sänger und Rhythmusgitarrist von Metallica, hat den Song allein im Hotelzimmer geschrieben, während er mit der Band 1989 auf Tour ist.

Hetfield hat einen melancholischen Abend. Nicht nur seine Freundin fehlt ihm, er denkt auch an seinen kürzlich verstorbenen Großvater.
“Nothing Else Matters”, “Nichts anderes zählt” sollen angeblich dessen letzte Worte gewesen sein.
Das Telefon klingelt, er nimmt ab - die Gitarre hat er noch umhängen. Ein langweiliges Telefonat. Die eine Hand am Hörer, fängt Hetfield an, mit der freien Hand auf der Gitarre herum zu zupfen.

Ohne die linke Greifhand auf den Saiten ergibt sich die Tonart e-Moll bzw. der e-Moll-Akkord.

Nicht umsonst ist e-Moll aus rein praktischen Gründen die am häufigsten vertretene Tonart. Die Grundstimmung der Gitarre liegt auf E, und es bedarf nur minimaler Fingertechnik, um einen rund klingenden Grundakkord e-Moll zu spielen.
Häufig wird dieser Tonart ein klagend-trauriger, mystischer Charakter nachgesagt.
Ob Hetfield möglicherweise an "Nights in White Satin" von den Moody Blues gedacht hat? Der Song hat eine ähnliche Struktur. Auch er kreist um den e-Moll Akkord, hat das gleiche Tempo und den gleichen Rhythmus.

Recht einfach gestrickt also, aber ihr hört selbst, was daraus geworden ist.

“So close, no matter how far”, “So nah, egal wie weit entfernt” ist Ausdruck seiner Sehnsucht.
Diese gefühlsbetonte Seite ist eine völlig neue Facette des damals 26-jährigen.

Lars Ulrich, Interview von 2002:
„Ich hatte immer das Gefühl, das James ein liebevollerer, mitfühlenderer Mensch war, als er sich zu zeigen traute.“

James Hetfield im Interview 2008:
„Indem man seine Schwächen zugibt, wird man stärker. Klingt komisch für einen Mann, erst Recht für einen Heavy-Metal-Man, aber es stimmt.“

Hetfield steht zu seinen Gefühlen und beschließt, “Nothing Else Matters” mit Metallica zu veröffentlichen. Das schwarze Album, auf dem die Ballade enthalten ist, steigt 1991 in 10 Ländern auf Nummer 1 in den Charts ein und hat sich bis heute über 35 Millionen Mal verkauft. Damit gehören Metallica heute zu den kommerziell erfolgreichsten Metal-Bands auf diesem Planeten.

“Nothing Else Matters” erscheint im April 1992 als Singleauskopplung und es wird Metallicas größter Single-Erfolg.

Seitdem ist er einer der beliebtesten Hochzeitssongs, also wahrlich ein Liebeslied, das die Welt bewegt.

Bis zu diesem Erfolg sind Metallica eine typische Metal-Formation. Gegründet 1981 in Los Angeles von Schlagzeuger Lars Ulrich und Sänger James Hetfield gehören sie in den 80er Jahren dem Metal Underground an. Ihre beiden Alben “Master Of Puppets” und “…And Justice For All” gehören zu den besten ihres Genres.
Frühe Songs, wie Master Of Puppets, sind bis heute fester Bestandteil von Metallicas Live-Shows.

Bis Ende der 90er Jahre lebt die Band den altbewährten Rock ‘n’ Roll Lifestyle.
Alkohol, Partys, wechselnde Frauen daheim. Groupies auf Tour, Drogenexzesse, das volle Programm.

2001 entscheidet sich James Hetfield, seine Alkohol- und Drogensucht zu bekämpfen.
Er checkt in einer Entziehungsklinik ein, parallel zu den Aufnahmen des Albums “St. Anger”.

Dieser Prozess führt zu vielen Konflikten in der Band, ungeschminkt festgehalten in dem sehr persönlichen Dokumentar-Kinofilm “Some Kind Of Monster”.

Fast drei Jahre begleiten die Filmemacher die Band auf Schritt und Tritt. Dabei werden Konflikte gnadenlos offen dokumentiert.
Die größten Spannungen gibt es zwischen den beiden Bandköpfen Lars Ulrich und James Hetfield. Die Band zögert, ob der Film überhaupt erscheinen soll.
Im Nachhinein bereut James Hetfield seine Entscheidung nicht.

James Hetfield, Interview von 2008:
„Natürlich wollte ich es nicht veröffentlicht haben. Es war mein absolut hässlichstes Ich.
Ich wollte es nicht sehen und ich wollte ganz sicher nicht, dass andere es sehen.
Ich habe es ein paar Mal angeschaut und das reicht. Das weiß ich, so will ich nicht sein.
Aber ich bin froh, dass es passiert ist. Es ist ein gutes Spiegelbild.
Ich denke, jeder sollte so einen Film über sich machen.“

Heute ist James Hetfield clean und Metallica weiterhin das Aushängeschild des Heavy Metals – nicht zuletzt dank dieser gefühlvollen Liebesballade mit Sogwirkung, die nicht nur Metalfans begeistert… “und nichts anderes zählt”… “nothing else matters.” 

https://timorisch.blogspot.com/2015/11/musik-die-bewegt-teil-6.html