Samstag, 17. Oktober 2020:
Am Katzentisch
Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz.
Ich war müde und
hungrig von der Wanderung auf dem Malerweg.
Also betrat ich das erstbeste
Restaurant.
Ein gemütlicher Raum, Kerzenlicht, eine gute Wahl, wie ich fand.
Die Bedienung führte mich an den letzten freien Platz.
Erst als ich mich gesetzt hatte, bemerkte ich den Fehler.
Links von mir saß ein Pärchen, Händchen haltend.
Rechts von mir saß ein zweites Pärchen, sich in die Augen blickend.
Der freie Tisch dazwischen hatte die Intimsphäre der beiden Paare gewahrt.
Nun saß ich dort, stumm, ohne Gegenüber.
Die Pärchen hatten sicher das Gefühl, dass ich lauschte, was ich ja auch
zwangsläufig tat. Es war mir etwas unangenehm.
Vielleicht hätte ich wieder aufstehen sollen, vielleicht hätte ein lustiger
Spruch die Situation gerettet.
Ich schaute im Raum umher und beschäftigte mich mit einer Zeitung.
Meine
Tischnachbarn hatten es einfacher, sie konnte einander vielsagende Blicke
zuwerfen.
Alleine gehe ich lieber nur noch spätabends ins Restaurant, wenn die meisten
anderen schon wieder weg sind.
Die Atmosphäre ist oft sogar schöner. Die Kellner kommen zur Ruhe, haben Zeit
für einen Plausch.
In Österreich setzte sich einmal ein Wirt zu mir an den Tisch, schenkte Obstbrand
ein und erzählte von seinem Gasthaus, das er in der vierten Generation führt.
Ein anderes Mal war die Küche eines tiroler Gasthauses schon geschlossen, doch
die Inhaberin schmierte mir Brote, die ich bei ihr an der Theke essen durfte,
während sie mir den Tratsch aus dem Dorf erzählte.
Beide nahmen sich meiner an, weil sie glaubten, dass ich einsam war. Dabei war
ich doch nur allein.