Sonntag, 3. Dezember 2017

Goldene Spur

Sonntag, 03. Dezember 2017:
Goldene Spur

Die Adventszeit hat begonnen. Für viele bedeutet das Plätzchenduft, Kerzenschein und gemütliches Beisammensein. Aber auch: Überfüllte Einkaufsmeilen, Termindruck, Stress und Hektik.
Es fällt oft schwer, in dem ganzen Trubel zur Ruhe zu kommen – innerlich und äußerlich. Schließlich soll am Heiligen Abend alles perfekt sein.

Es ist ein vergoldeter Neuanfang. Aus Japan stammt die traditionelle Kunst der Goldreparatur: „Kintsugi“.
Wenn eine wertvolle Keramikschale zerbricht, dann werden die Scherben nicht weggeworfen, sondern wieder zusammengefügt. Nicht ohne sichtbare Risse, das wäre ja unmöglich.
Man sieht der Schale die Reparatur an. Das soll auch so sein.
Die Bruchstellen werden nicht nur mit besonderem Kitt und Lack geflickt, sondern auch mit Goldstaub. Die Brüche wirken so besonders kostbar.
Das ganze Gefäß wirkt neu und anders, es glänzt sogar.
Die Japaner betrachten das wiederhergestellte Porzellan– oder Keramikstück nicht als mangelhaft. Im Gegenteil: Mit den Rissen kommt etwas wertvolles hinzu.
Jede wiederhergestellte Schale zeigt: Auch ich bin gebrochen. An unterschiedlichen Stellen, sichtbar und unsichtbar.
Ich bin verletzt worden und habe andere verletzt.
Das Leben hat Spuren an mir hinterlassen.
Es kostet Zeit und Mühe, wieder ganz zu werden.
Doch meine Risse und Brüche machen mich einzigartig.
Ich bin wertvoll, so wie ich bin.


Der Advent ist für mich genau die richtige Zeit, auf das eigene Leben zu blicken, sich seiner Brüche bewusst zu werden und neue Kraft zu schöpfen für das, was vor mir liegt.

(Teilweise Auszüge von Iris Macke)

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