Donnerstag, 18. Mai 2017

Musik, die bewegt – Teil 13

Der hämmernde Drum-Computer-Beat von „Blue Monday“ der Band New Order hat die Techno-Ära eingeläutet.
Es ist der Beat des berühmtesten Song-Intros der 80er Jahre.
Das Besondere: Erst nach zwei Minuten setzt der Gesang ein – das ist damals, im Jahr 1983, revolutionär.
Niemand hat damit gerechnet, dass ein Song mit solch einem Intro Hitpotential hat. Mit über drei Millionen Kopien wird es die meistverkaufte 12-Inch-Maxi-Single auf Vinyl aller Zeiten.

Die brachiale Einfachheit und die brutale Drum-Machine geben dem Song eine gewisse Strenge und Schönheit, die nach nunmehr über 30 Jahren unglaublich zeitgenössisch und modern wirkt.

Die Geschichte von New Order beginnt Ende der 70er in Manchester, einer tristen Stadt, geprägt von Kriegsruinen, Industrie und Sozialbauten.
In dieser Umgebung gründen vier Jungs die Vorläufer-Band von New Order: Joy Division.
Der Name ist angelehnt an eine angebliche Huren-Einheit der deutschen Wehrmacht.
Schnell finden sie ihren eigenen Stil, und der ist so düster wie ihre Heimatstadt.
Joy Division war eine einflussreiche Band. Die Musiker erzeugten mit sehr einfachen Mitteln eine Atmosphäre, die insofern etwas ganz neues war und etwas Eigenes hatte, weil sie eine gewisse Düsterkeit und Melancholie ausstrahlte. Das löste sich von der routinierten Fröhlichkeit, die die Popmusik normalerweise verbreitete, ab.
Joy Division werden schnell zu einer der erfolgreichsten englischen New-Wave-Bands. Geplant ist sogar eine erste USA-Tour, doch dazu soll es nicht mehr kommen.
Sänger Ian Curtis hält dem Druck nicht stand. Er leidet an Epilepsie, ist zerrissen in der Liebe zu zwei Frauen.
Seine inneren Dämonen verarbeitet er in seinen Texten.

Ich denke, dass bei Ausnahmekünstlern Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Man muss sehr sensibel sein, um ausdrucksstarke Texte schreiben zu können. Das ist sicher die große Tragik und letztlich das Schicksal dieser Menschen. Es erinnert mich an Curt Cobain, der auch an sich selbst zerbrach.

„Love Will Tear Us Apart”, der autobiografische Song, ist Joy Divisions erster großer Hit. Doch kurz nach Erscheinen zerbricht Ian Curtis und erhängt sich. Was genau ihn dazu treibt, sich in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1980 mit nur 23 Jahren das Leben zu nehmen, ist bis heute ungeklärt.
Der Rest der Band bleibt geschockt zurück.
Auf seltsam pragmatische Art ist den Zurückgebliebenen klar, dass sie weitermachen werden. Allerdings nicht unter dem alten Namen und auch nicht im alten Stil.
„New Order“, das klingt nach Neubeginn. Musikalisch lassen sie sich in den Discos von New York inspirieren. Synthesizer, harte Beats und dominante Bassläufe statt düsterer New-Wave-Balladen.
Das verwaiste Mikrofon von Ian Curtis übernimmt der 24-jährige Gitarrist Bernard Sumner, zunächst noch merklich unsicher in seiner neuen Rolle als Frontmann.
„Blue Monday“ bringt den neuen elektronischen Sound auf den Punkt. Es ist ein epochaler Song, der viele musikalische Merkmale von Techno vorwegnimmt und Techno-DJs nachhaltig beeinflusst.
Wenn man „Blue Monday“ heute hört, kann man sich nicht mehr vorstellen, was es damals bedeutete, als diese Bass-Drum reinkam, weil es so normal geworden ist.
Bis heute spielen auch New Order selbst live. Sie, die einzige Band, die gleich zwei Genres nachhaltig beeinflusst hat – Punk und Techno… und nebenbei noch dem ungeliebtesten Wochentag ein Denkmal gesetzt hat.
DANKE!

(Quelle: Auszugsweise aus der VOX-Serie "100 Songs, die die Welt bewegten")

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