Samstag, 05. Dezember 2015 – Tag 2, Stadtführung
und Sehenswürdigkeiten:
Frühstück
um 07:30 Uhr. Da der
zweite Frühstückssaal des Hotels noch nicht oder noch nicht wieder einsatzfähig
ist, müssen alle Personen im verbleibenden Raum einen Platz finden. Unser
Entschluss, sich früh über das Buffet herzumachen, zahlt sich aus, denn als wir
35 Minuten später fertig sind, steht schon eine lange Schlange an.
Doch
unser Glück endet noch nicht, die Vorhersage hat Recht behalten. Die Sonne
bahnt sich den Weg durch die dünne Wolkendecke, die wenig später verschwinden
wird.
Ich
spaziere ein bisschen vor dem Hotel herum und frische im Internet mein Wissen
über Prag auf.
Um
1230 wurde Prag zur Residenzstadt des Königreichs Böhmen
und im 14. Jahrhundert als Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches zu einem
politisch-kulturellen Zentrum Mitteleuropas.
In Prag wurde 1348 die erste Universität Mittel- und Osteuropas
gegründet. Über Jahrhunderte hinweg war Prag eine multikulturelle Stadt, in der
sich tschechische, deutsche und jüdische Kultur begegneten und gegenseitig
inspirierten.
Prag wird auch als die "Goldene Stadt der hundert
Türme" bezeichnet.
Sie
zeigt heute ein geschlossenes, von Gotik und Barock geprägtes Stadtbild und zählt mit mehr als fünf
Millionen ausländischen Touristen im Jahr zu den zehn meistbesuchten Städten
Europas.
Der
Beiname "Goldene Stadt" bezieht sich auf die Sandsteintürme, die bei
Sonneneinstrahlung in Goldtönen schimmern. Eine weitere Erklärung für diese
Bezeichnung ist, dass Kaiser Karl IV. die Türme der Prager Burg vergolden ließ.
Außerdem war die Stadt zur Zeit Rudolfs II. ein Anziehungspunkt für
Alchemisten.
Auch
der Name "Stadt der hundert Türme" ist schon seit mehreren Jahrhunderten
bekannt und stammt von den zahlreichen Türmen, die das historische Stadtbild
prägen.
Pünktlich
um 09:00 Uhr starten wir zu
unserer Stadtbesichtigung der Moldau-Metropole. Mit im Bus unser Fremdenführer
Peter. Ich höre erst seine Stimme durch das Mikrofon, bevor ich ihn sehe und bin anfangs
etwas irritiert, wie zart und kindlich er spricht.
Unsere
Fahrt beginnt in Fließrichtung rechts der Moldau, wo sich die Stadtteile Altstadt
und Neustadt mit dem Nationaltheater sowie dem
jüdischen Viertel samt seinem weltbekannten Friedhof befinden. An der
Grenze zwischen Alt- und Neustadt liegt der Platz der Republik mit dem Pulverturm.
Wir
halten am Hauptbahnhof und lassen die Personen aussteigen, die nicht an der
Stadtführung teilnehmen möchten.
Weiter
geht es über die Moldau zur Kleinseite mit ihren alten Bürgerhäusern sowie dem
tschechischen Parlament und den an die Prager Burg angrenzenden Stadtteil
Hradschin.
Im
zweiten Weltkrieg wurde Prag kaum zerstört. Viele alte Gebäude sind dadurch im
ursprünglichen Zustand erhalten geblieben.
An
der Prager Burg, die das größte geschlossene Burgareal der Welt bildet, steigen
wir aus und folgen Peter ins Innere. Die Ausmaße der Anlage sind beeindruckend.
Wir gehen weiter auf dem Gelände zum größten Kirchengebäude Tschechiens, dem
Veitsdom, der ein wenig an den Kölner Dom erinnert.
Obwohl
sich hier sehr viele Menschen aufhalten, können wir das Gotteshaus ohne
Wartezeit betreten. Der Eintritt in das hintere Viertel des Doms ist frei. Peters
Worten lausche ich so gut es im Trubel irgendwie geht. Noch ein letzter Blick
in das Mittelschiff des Langhauses und wir verlassen das Gebäude Richtung
Burghof, wo wir den Dom in der Seitenansicht bestaunen können.
Es
sind nur ein paar Schritte zum Georgsplatz, wo sich die Leute um Holzbuden scharen; es sieht sehr nach Weihnachtsmarkt aus. Kurz vor dem Platz bleibt Peter stehen und zeigt uns den Alten
Königspalast, in dem sich am 23. Mai 1618 auf der uns abgewandten Seite der Zweite
Prager Fenstersturz ereignete, der den Beginn des Dreißigjährigen Krieges
markierte und einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte Europas darstellt.
Unsere
letzte Station ist der Ehrenhof, der den Zugang zum Areal der Prager Burg vom
Westen her bildet.
Durch
das Tor treten wir auf den Hradschin-Platz und halten uns links bis zur Mauer.
Von
diesem erhöhten Punkt hat man eine schöne Aussicht auf das historische
Stadtviertel Hradschin mit prächtigen Barockpalästen und -kirchen, aber auch
kleinen malerischen Gässchen. Leider ist es momentan etwas diesig.
Von
hier sieht man auch die Deutsche Botschaft, die 1989 in den Blickpunkt der
Medien geriet und zu einem Ort deutscher und europäischer Geschichte wurde, als
ab August tausende DDR-Bürger dort Zuflucht suchten und das Gelände der
Botschaft besetzten.
Der
damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher traf am Abend des 30. September 1989
ein. Versammelten Journalisten sagte er, er möchte ihnen keine Mitteilung
machen, da er zunächst mit den Deutschen aus der DDR sprechen wolle.
Um
18:58 Uhr gab er vom
Balkon des Palais aus bekannt
"Liebe Landsleute, wir
sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen,
dass heute Ihre
Ausreise… in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist."
Weiter
oberhalb der Deutschen Botschaft zeigt sich – etwas im Dunst gehüllt – der Aussichtsturm Petřín, der als
verkleinerter Nachbau des Pariser Eiffelturms errichtet wurde.
Peter
führt uns weiter zur St.-Nikolaus-Kirche und der mit Graffiti bemalten John-Lennon-Mauer,
vor der oft Musiker Songs von Lennon oder den Beatles spielen.
Man
sieht sehr viele Segway-Roller. Die geführten Touren auf diesen Steh-Rollern
scheinen sehr beliebt zu sein. Bei der Vielzahl an Touristen ist es aber nicht
leicht für Neulinge, das Gefährt sicher durch die Menschenmassen zu bewegen.
Jogger
und Radfahrer hingegen begegnen uns so gut wie gar keine. Merkwürdig, steckt
doch das Wort "Advent" in "Fahrradventil". Dieses Geheimnis hat die Kirche
lange gehütet – warum auch immer!
Nun
folgt das Pflichtprogramm für Touristen – die Karlsbrücke. Sie ist die älteste
erhaltene Brücke über die Moldau und eine der ältesten Steinbrücken Europas.
Sie verbindet auf einer Länge von ca. 515 Metern die Altstadt mit der
Kleinseite.
Bei
der Einweihung der Karlsbrücke trug diese noch keinen Brückenschmuck. Erst nach
und nach wurden über den Brückenpfeilern Skulpturen von Heiligen und Patronen
aufgestellt. Wohl am bekanntesten ist die Statue des heiligen Johannes von
Nepomuk, der angeblich an dieser Stelle im Jahre 1393 ertränkt wurde. Es ist
gleichzeitig die älteste der insgesamt 30 Figuren, die seit 1965 schrittweise
durch Repliken ersetzt werden. Die Originale gelangen in das Lapidarium des
Nationalmuseums.
Teilweise
begleitet von Segway-Touristen geht es weiter durch kleine Gässchen und der
Fußgängerzone bis zum Altstädter Ring, wo ein großer Weihnachtsmarkt stattfindet.
Bevor ich mich wundern kann, warum ein großer Pulk Menschen Richtung Rathaus
schaut, klärt Peter auf:
Die
Prager Rathausuhr, auch Aposteluhr genannt, ist eine weltweit
bekannte astronomische Uhr aus dem Jahr 1410, die sich an der Südmauer des
Altstädter Rathauses befindet. Sie ist ein Meisterwerk gotischer Wissenschaft
und Technik und ein wertvolles Kulturdenkmal.
Unser
Timing ist perfekt. Nur noch ein paar Minuten sind es bis 12:00 Uhr. Dann beginnt das Glockenspiel,
bei dem zu jeder vollen Stunde Christus und die zwölf Apostel erscheinen. Peter verabschiedet sich
und gibt uns 90 Minuten Zeit zur freien Verfügung, die wir nutzen, um über den
Weihnachtsmarkt zu schlendern. Hier trinke ich meinen ersten Glühwein dieser
Saison. Ob er von glücklichen Glühen ist, konnte mir die Verkäuferin nicht
sagen… irgendwie hat sie mich nicht verstanden.
Um
13:30 Uhr treffen wir Eva,
die uns für den Rest des Tages als Begleitung zur Verfügung steht. Wie schon Peter,
ist auch sie sehr nett, freundlich und versorgt uns mit allerlei interessanten
Informationen.
Wir
schlagen den Weg Richtung Moldau ein, der uns zunächst an Josefov (Josephstadt),
dem Prager Ghetto, mit seinem bekannten jüdischen Friedhof vorbeiführt.
Trotz
seiner kleinen Fläche von ca. 1 Hektar enthält er über 12.000 Grabsteine und vermutlich
die Gebeine von 100.000 Menschen.
Da
es im Ghetto keine Erweiterungsmöglichkeiten gegeben hatte, begrub man aus
Platzmangel die Verstorbenen in bis zu zwölf Schichten, berichtet Eva.
Bei
der Anlegestelle warte ich ungeduldig, bis wir an Bord unseres Schiffes gehen
können. Ich liebe es, auf jeder Art von Wasserfahrzeug unterwegs zu sein. Für
20 Euro pro Person werden wir zwei Stunden auf der Moldau an allerlei
Sehenswürdigkeiten vorbeigeführt.
Im
Preis enthalten ist ein Buffet, so ist also auch unser Mittagessen gesichert.
Jetzt
endlich ist es soweit, wir laufen aus… in Gedanken höre ich Hans Albers singen… "Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise."
Während
sich die Meute über das Buffet hermacht, gehen mein Freund und ich raus über
die Treppe zum Sonnendeck achtern, stellen uns an die Reling, halten die Nase
in den Wind und versuchen, die Eindrücke so gut es geht mit unseren Kameras
einzufangen.
Jetzt
erst mal essen und erneut aufs Sonnendeck, wo ich ein paar Stichpunkte für
diesen Blog aufschreibe und die Aussicht genieße.
Unser
Kapitän steuert das Schiff flussauf- und –abwärts. Wie Eva beim Essen erzählt
hat, ist die Moldau, deren tschechischer Name "Vltava" so viel wie "wildes,
reißendes Wasser" bedeutet, hier im Stadtgebiet nur durchschnittlich drei Meter
tief. Etwa zehn Meter misst sie an der tiefsten Stelle. Na ja, "wild" und "reißend" sind hier wohl die falschen Adjektive, denn wir bewegen uns in sehr ruhigem Wasser.
Karlsbrücke mit Altstädter Brückenturm |
Zur
perfekten Zeit präsentiert sich die Karlsbrücke im Sonnenuntergang.
Zwei
Stunden sind leider viel zu schnell vorbei und so machen wir uns auf dem Weg
zurück zum Altstädter Ring. Es ist unfassbar, wie viele Menschen hier den
ganzen Tag über unterwegs sind. Selbst in den Seitenstraßen kann man dem Strom
nicht entgehen. Prag sei immer gut besucht, meint Eva. Aber jetzt gerade in der
Adventszeit bei gutem Wetter, sei sie selbst überrascht, wie viel Trubel hier
herrscht.
Dagegen war Chodov fast schon verträumte Landidylle.
Ich empfinde es jedenfalls nicht als unangenehm – im Gegenteil, Prag gefällt mir, zumal es überall sehr sauber ist.
Dagegen war Chodov fast schon verträumte Landidylle.
Ich empfinde es jedenfalls nicht als unangenehm – im Gegenteil, Prag gefällt mir, zumal es überall sehr sauber ist.
Wir
laufen momentan über die Parízská, die Pariser Straße. Sie ist die teuerste
Einkaufsmeile in Prag. Hier haben sich alle Luxusmarken von Dior über Gucci bis
zu Louis Vuitton angesiedelt. Sie verläuft direkt vom Rathausplatz in die
Josephstadt hinein bis zur Moldau.
Hier
ist jeder Baum mit schönen Lichterketten verziert. Es vermittelt alles eine
tolle, vorweihnachtliche Stimmung, ohne kitschig zu wirken.
Altstädter Rathaus |
Auf
dem Markt beim Altstädter Ring gibt es noch eine Runde Glühwein bevor wir
Richtung Wenzelsplatz spazieren, der 1848 nach dem Heiligen Wenzel von Böhmen
benannt ist und mit einer Breite von etwa 60 m und einer Länge von ca. 750 m zu
den größten städtischen Plätzen Europas gehört.
Auch
hier ist ein Weihnachtsmarkt zu bewundern. Bei jedem Schritt steigen mir allerhand
Gerüche in die Nase, viele eindeutig identifizierbar, andere weniger.
Ein
buttrig süßer Duft ist hier jedenfalls an jeder Ecke charakteristisch - "Trdelnik" (sprich:
Tredellnik), oder auch "Trdlo" genannt, ist ein traditionelles Süßgebäck, das
die Form einer Rolle hat und über glühenden Kohlen auf sich drehenden Stöcken
gebacken und anschließend in Zimt und Zucker gewälzt wird. Man sieht auch
Varianten, die mit Nutella bestrichen sind.
Am
oberen Ende des Wenzelsplatzes tauchen wir mit Blick auf
das Nationalmuseum (Národní Muzeum) in die Erde ab, um
zur Metro zu kommen.
Národní Muzeum heißt auch die Haltestelle der
U-Bahn. Für 24 Kronen, also etwa 90 Cent, pro Person bekommen wir eine
Fahrkarte. Acht Stationen sind es mit der roten Linie C bis Chodov. Zu Fuß sind
wir bald im Hotel, wo wir an der Bar unser Geld sinnvoll für Bier und Rotwein ausgeben. Morgen kann man
schon überall in Euro zahlen und so investiere ich meine letzten Kronen in
Bier, bis ich im wahrsten Sinne des Wortes KRONisch pleite bin.
Obwohl
wir heute etliche Stunden im Großstadtdschungel mit viel Verkehr und großen Menschenmassen
unterwegs waren, empfand es niemand von uns als nervig oder störend. Die
Moldau-Metropole überraschte mit vielen Sehenswürdigkeiten, die zu einem kurzweiligen
Tag beigetragen haben.
Vor Taschendieben wird vor allem in der U-Bahn
und in Bussen mit Schildern gewarnt. Auch warnten uns Busfahrer und
Reiseführer, obwohl in Prag sicher nicht mehr oder weniger gestohlen wird, als
in anderen Touristen-Hochburgen.
Jedenfalls wurde niemand aus unserer Reisegruppe
Opfer von Taschendieben.
Überall gab es reichlich Polizeipräsenz - in Autos, zu
Fuß oder auf dem Pferd. Auffällig viele Polizisten waren mit Maschinenpistolen
bewaffnet, was wohl ein bisschen Sicherheit vermitteln soll.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen