Donnerstag, 10. August 2017:
"Orange Day" in Vietnam
Der Tod kam auch aus Ingelheim: Ein deutscher Konzern half dabei, als die USA ihren chemischen Krieg gegen den Kommunismus in Südostasien führten.
Der 10. August ist in Vietnam "Orange Day".
Kein Feier-, sondern ein Gedenktag.
Agent Orange ist die militärische Bezeichnung eines chemischen Entlaubungsmittels, das die US-Streitkräfte im Rahmen der Operation "Ranch Hand" (Erntehelfer) während des Vietnamkriegs großflächig zur Entlaubung von Wäldern und zur Zerstörung von Nutzpflanzen einsetzten.
Ziel war es, dem feindlichen "Vietcong" die Tarnung durch den dichten Dschungel zu erschweren, Verstecke und Versorgungswege (Ho-Chi-Minh-Pfad) des Gegners aufzudecken, und deren Nahrungsversorgung zu stören.
Der Name stammt von den orangefarbenen Streifen, mit denen die entsprechenden Fässer gekennzeichnet waren.
Das englische Wort agent bedeutet hier "Mittel" oder "Wirkstoff".
Nach rund zehn Jahren hatten die Vereinigten Staaten Zeitungsberichten zufolge in 9.495 dokumentierten Einsätzen rund 90 Millionen Kilogramm Agent Orange auf einer Fläche der Größe Hessens versprüht, drei Millionen Hektar Regenwald und Reisfelder vernichtet sowie 2.6000 Dörfer verseucht.
15,9 Liter kamen in den regelmäßig "entlaubten" Gebieten auf jeden Einwohner.
Am Anfang fielen die Blätter von den Bäumen, Reispflanzen gingen ein und der Dschungel verdorrte.
Später erkrankten und starben Menschen - Millionen Bewohner der betroffenen Gebiete, aber auch bis zu 200.000 US-Soldaten, die bei der Veteranenbehörde als Agent-Orange-Opfer registriert sind.
Vor 46 Jahren, im Januar 1971, startete angeblich das letzte Sprühflugzeug.
Doch es befinden sich noch immer Millionen Liter des nicht sichtbaren Giftes im Boden, in Pflanzen und damit auch im menschlichen Nahrungskreislauf.
Bis heute leiden und sterben Menschen an den Langzeitfolgen.
Neugeborene mit deformierten Schädeln, ohne Augen und Nase, mit fehlenden oder missgebildeten Organen; junge Frauen, um die 20, mit vom Krebs zerfressenen Gebärmüttern; Kriegsveteranen und einfache, vietnamesische Bauern, die – oft Jahre nach Kontakt mit der Chemikalie – an bösartigen Tumoren sterben.
Der Wirkstoff bestand zu gleichen Teilen aus 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) und 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D).
Hinzu kam 2,3,7,8-TCDD, das herstellungsbedingt als Verunreinigung in Agent Orange enthalten war.
Bei seiner Synthetisierung entsteht Dioxin.
Diese chlorhaltige organische Verbindung wurde 1957 von Wilhelm Sandermann im Labor entdeckt und zählt zu den potentesten Giften, die die Menschheit je erschaffen hat.
Es ist nicht nur ausgesprochen persistent, also über lange Zeiträume in der Umwelt stabil.
Es schädigt das Genom, schwächt das Immunsystem und ist stark krebserregend.
Blutkrebs und Nierenversagen, Nervenleiden und Metastasenbildungen zählen zu den rund 140 bekannten Folgeerkrankungen.
Gift aus Ingelheim:
Auch in Deutschland hat das Gift Tote gefordert. Rund 115 einstige Arbeiter von Boehringer Ingelheim verstarben alleine bis 1991 an Krebs.
Das weltweit größte in Familienbesitz befindliche Chemieunternehmen aus Ingelheim am Rhein wurde vom US-Unternehmen Dow Chemical, neben Monsanto einer der beiden Hauptlieferanten des Herbizids, nach Lieferengpässen eingeschaltet.
Bei 45,2 Millionen Litern lag der Jahresbedarf mittlerweile.
Boehringer Ingelheim konnte helfen.
Geschlossen wurde der gewinnträchtige Pakt zwischen Boehringer und Dow Chemical zu einer Zeit, als der spätere Bundespräsident Richard v. Weizsäcker, der das Unternehmen 1966 verließ, noch Mitglied der Geschäftsführung in Ingelheim war.
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