Sonntag, 27. März 2016

Tour des Grauens

Freitag, 25. März 2016:
Tour des Grauens – Wanderung zum "Grauen Kreuz"

Heute ist Karfreitag - im Zusammenhang mit Ostern für die Christen einer der höchsten Feiertage.
Es ist der Tag der Kreuzigung Jesu auf dem Hügel Golgatha vor den Toren Jerusalems.
Der Name leitet sich von "karen" (altdeutsch: wehklagen) ab.
Traditionelle Lexika beziehen sich auch oft auf "kara" (althochdeutsch für Klage, Kummer, Trauer) als Ursprung.
Morgen endet auch die 40-tägige Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Karsamstag/Osternacht. Dabei werden die Sonntage als sogenannte Feiertage der Auferstehung nicht mitgerechnet.
Die 40 Tage sollen an die Zeit erinnern, die Jesus in der Wüste fastete.
Die Zahl 40 erinnert aber auch an die 40 Tage der Sintflut, an die 40 Jahre, die das Volk Israel durch die Wüste zog, an die 40 Tage, die Mose auf dem Berg Sinai in der Gegenwart Gottes verbrachte und an die Frist von 40 Tagen, die der Prophet Jona der Stadt Ninive verkündete, die durch ein Fasten und Büßen Gott bewegte, den Untergang von ihr abzuwenden.


Keine Weicheier - die Truppe am Grauen Kreuz
Nationalparkführer Gerhard Hänsel hat für heute die "Tour des Grauens" angesetzt.
Als ich von dieser Wanderung las, machte sich Verunsicherung breit, denn ich kannte bisher nur das "Graue Kreuz", das etwa 50 Meter seitlich der Landstraße 159 zwischen Bruchweiler und Hinzerath zu finden ist.
Hoch oben auf dem Idarwald-Scheitel grenzten schon im Mittelalter die Gemarkungen mehrerer Ortschaften sowie die Herrschaftsgebiete der Wild- und Rheingrafen, der Veldenzer und der Sponheimer Grafen an Kurtriers mächtigen Kirchenstaat.
Dort, auf 695 Metern ü. NN, wo seit alters her das sagenumwobene "Graue Kreuz" einen wichtigen Orientierungspunkt bildet, führt heute der Europäische Fernwanderweg E3 vom Atlantik zum Böhmerwald vorbei. Auch als Skilangläufer passierte ich vor vielen Jahren mit meinem Vater im Winter - bei damals noch guten Schneebedingungen - auf der 15 km langen Graue-Kreuz-Loipe das Holzsymbol.
Bei der heutigen Tour handelt es sich allerdings um das "Graue Kreuz" im Hochwald zwischen Thranenweier, Börfink, Rinzenberg und Oberhambach. Die beiden Namensvetter liegen Luftlinie knapp 16 Kilometer auseinander.


Von ursprünglich 14 angemeldeten Personen sind nur noch 8 übrig geblieben, dazu zwei Hunde. Vom Treffpunkt, dem Wanderparkplatz "Wolfskaul" bei Rinzenberg, wandern wir mit Gerhard den Weg rechts entlang des Moorgebietes Kohlhäu und nähern uns dem Gefällberg. Das Wetter passt zum Thema der Tour... es regnet und der Himmel zeigt sich bedeckt und trüb. Nebel begleitet uns und hüllt alles in seinen schaurig schönen Mantel.
Richtung Norden kommen wir nach vier Kilometern an einen besonderen Punkt im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.
Auf 644,4 Meter Höhe, im Staatsforstrevier Rinzenberg, in unmittelbarer Nähe des alten Grenzsteines mit der Jahreszahl 1853 und den Buchstaben OB auf der Westseite und KP auf der Ostseite des Steines, der einst den Grenzverlauf zwischen den Ländern "Königreich Preußen" und „Großherzogtum Oldenburg“ zeichnete, steht ein drei Meter hohes aus Eichenholz grob gefertigtes Kreuz ohne Corpus, ohne Verzierung und Namen. Es wird im Volksmund "Graues Kreuz" genannt. Der Trigonometrische Punkt ist in Kataster- und Wanderkarten ebenfalls mit der Bezeichnung "Am Grauen Kreuz" eingetragen.
Einheimische wie Fremde, die hier vorübergehen, werden sich wohl fragen, wie dieses Kreuz an diesen Namen kommt. Denn selbst in den Sagensammlungen und geschichtlichen Abhandlungen dieser Landschaft wird dieses Kreuz nicht erwähnt. Wo kommt es her? Warum steht es ausgerechnet an einer Stelle, wo einst die römische Heeres- und Handelsstraße von Trier nach Mainz vorbeiführte, und die noch bis tief ins Mittelalter benutzt wurde? Der frühere Birkenfelder Heimatkundeforscher Professor Baldes weiß darauf in seinem Buch "Geschichtliche Heimatkunde der Birkenfelder Landschaft" eine Antwort.
Es geschah zur Zeit des 30 jährigen Krieges im Jahre 1632, als Truppen des Schwedenkönigs Gustav Adolf die von Mainz aus sich zurückziehenden Truppen, die auf der Seite des Kaisers Ferdinand I. von Österreich kämpften, im "Schwarzwälder Hochwald" zur Schlacht herausforderten. Auf ihrem Rückzug plünderten und brandschatzten die Spanier auch die Ortschaft Rinzenberg. Die Bewohner des Dorfes flüchteten beim Herannahen der Truppen in den Hochwald. Die schwedischen Einheiten, verbündet mit den Franzosen, holten die Spanier hoch oben auf dem Berg ein. Es kam zur Schlacht, in der die Spanier vernichtend geschlagen wurden. Niemand kümmerte sich um die umherliegenden Toten, sie blieben im Walddickicht liegen. Als die Kriegshorden abgezogen waren, wagten es einige der in den Wald geflohenen Rinzenberger, in den Ort zurückzukehren. Hierbei kamen sie an der grauenvollen Todesstätte vorbei. In der Morgendämmerung mit ihren Nebelschwaden, die die Gegend dort oben sowieso schon gespensterhaft erscheinen lässt, den Verwesungsgeruch der Toten in den Nasen, eilten sie, von Angst und Grauen getrieben, ins Dorf zurück. Einige wenige Beherzte kehrten mit Hacken und Schaufeln zum unseligen Ort zurück, begruben die umherliegenden Toten in ein großes Grab und errichteten auf ihm ein hohes Kreuz. Das Kreuz des Grauens. Das "Graue Kreuz". Da niemand die Namen der Toten kannte, vermerkte man weder was hier geschehen war, noch Zeit und Namen.
Im Martinshütter Bruch

So lässt sich wohl der Name dieses schmucklosen Kreuzes erklären. Und ist dieses Kreuz vom Zahn der Zeit zernagt, oder vom Sturmwind zerbrochen, so wird es bis zum heutigen Tage immer wieder neu errichtet. Als im Frühjahr 1990 die verheerenden Stürme, die um das Kreuz stehenden alten Bäume umwarfen, brach auch das Kreuz unter deren Last zusammen. Wieder waren es Rinzenberger Bürger, die ein neues schlichtes Kreuz aus Eichenholz zimmerten und es, mit Zustimmung des örtlichen Forstbeamten, an dieser historischen Stelle errichteten.
Quelle: Brucker, Heinrich: Rinzenberg. Dokumentation einer Hochwaldgemeinde mit vielen Bildern der letzten 100 Jahre, Rinzenberg: Ortsgemeinde o.J. (1995), S.120f

Wir rasten und ich genieße die geheimnisvolle Atmosphäre hier oben.
Die Grenze zwischen Preußen und Oldenburg (Fürstentum Birkenfeld) verlief nur ein paar Meter weiter, was ein alter Grenzstein aus dem Jahr 1853 mit den Inschriften GO für Großherzogtum Oldenburg und KP für Königreich Preußen beweist. Der Zusatz 653 gibt wohl die fortlaufende Nummer des Steins an.
Mit etwas Feuerwasser wärmen wir uns von innen, während wir gespannt Gerhards Geschichten lauschen. So erfahren wir auch, warum Bäume schäumen.
Auf dem Rückweg müssen wir die Trasse der neu angelegten Verbindungsleitung von der Primstalsperre zur Steinbachtalsperre queren. Diese ca. 32 km lange Verbindung ist u.a. erforderlich, um die Steinbachtalsperre zu Damm-Sanierungszwecken entleeren zu können, ohne dass die Wasserversorgung gefährdet wird. Schön sieht es hier momentan nicht aus, ein breiter Graben voller Matsch und Schlamm muss überquert werden.
Kurz darauf sind wir schon beim Moorgebiet "Martinshütter Bruch" angekommen. Immer noch ziehen Nebelschwaden um uns herum, während wir auf dem weichen Waldboden langsam und bedacht einen Fuß vor den anderen setzen. Es ist wie im Märchen hier, umgeben von geheimnisvollen Moorbirken und Gerhard entdeckt sogar einen Moorfrosch, der sich völlig unbeeindruckt fotografieren lässt.

Mord im Moor?
Über den sich über Rinzenberg erhebenden Wehlenstein wandern wir zurück zum Ausgangspunkt.
Die Tour durch den schaurig schönen Hochwald bot vielfältige Einblicke in das heutige Schutzgebiet. Trotz Dauerregen eine schöne Tour mit tollen Leuten.


Koordinaten des Grauen Kreuzes:
Dezimalgrad (WGS84): N 49.696959 E 7.109856


Gerne möchten wir uns aufwärmen und mit einer Kleinigkeit stärken. Da das Gasthaus Gordner noch geschlossen hat, fahren wir in den Nachbarort Hattgenstein.
Schauriger Blick vom Wehlenstein
Dort, am ehemaligen Sportplatz, beim 21 Meter hohen Aussichtsturm, kann man in der Rothenburghütte, dem ehemaligen Clubheim des Sportvereins, in schöner Atmosphäre einkehren. Sei es nur ein Getränk zur Erfrischung oder ein kleiner Imbiss, "Hans von der Hütte" ist auf jeden Fall einen Besuch wert. 

Weitere Informationen, Fotos und GPS-Dateien unter


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